Tiefensee im Interview:"Haben einiges im Köcher"

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Eine Intervention zur Rettung der Wirtschaft ist umstritten. Verkehrsminister Tiefensee hat dennoch Ideen, wie man die Konjunktur ankurbeln könnte.

M. Bauchmüller

Nicht mit der Gießkanne, sondern mit "punktgenauen" Förderungen will die Bundesregierung die Wirtschaft vor der Flaute bewahren. Viele solche Programme dürften über das Verkehrsministerium laufen, es ist das Ressort mit den meisten Investitionsmitteln. Wolfgang Tiefensee (SPD), Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, hätte Ideen zum Geldausgeben - etwa Programme zur Sanierung von Schulen oder zum seniorengerechten Umbau von Wohnungen. Ziel sei es, vor allem dem Handwerk zu helfen.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) will an bestehenden Programmen ansetzen. (Foto: Foto: AP)

SZ: Alle reden von Konjunkturprogrammen. Sie auch?

Tiefensee: Zunächst mal rede ich über diejenigen, die uns den Ärger eingebrockt haben. Deren Verhalten, deren Gier macht mich wütend. Aber ja, wir müssen überlegen, wo wir jetzt gezielt ansetzen können, um einen Abschwung abzufangen und vor allem Arbeitsplätze zu sichern. Die Bankvorstände behalten ihre Jobs, die kleinen Leute verlieren ihre Arbeit. Das will ich verhindern.

SZ: Das Kabinett will nächste Woche über mögliche Wege sprechen.

Tiefensee: Darauf bin ich vorbereitet. Wir haben hier einiges im Köcher, vor allem, um Handwerksbetrieben und einfachen Bürgern zu helfen. Viele Programme gibt es ja schon, genau da könnten wir ansetzen. Mit Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen. Steuersenkungen nützen uns jetzt nichts, die gehen in den Sparstrumpf, nicht in den Konsum.

SZ: Nämlich?

Tiefensee: Einmal habe ich aus der Mauterhöhung ohnehin schon eine Milliarde Euro mehr, als wir für 2009 ursprünglich geplant haben. Das werden wir in den Verkehr investieren. Wir können aber auch einiges im Bereich Sanierung bewegen. Es geht darum, mehr für die Gebäudesanierung zu tun. Bisher geben wir 900 Millionen Euro für zinsverbilligte Darlehen und Zuschüsse der Förderbank KfW, die waren schon im August komplett abgerufen. Das können wir deutlich aufstocken.

SZ: Wie deutlich?

Tiefensee: Sehr deutlich. Der Vizekanzler hat ja schon von einer Milliarde gesprochen. Aber erst muss das Kabinett zustimmen, dann der Bundestag. Ziel wäre es, der KfW mehr Mittel zu geben. Die könnte dann mehr Darlehen ausreichen oder die Zinsen senken.

SZ: Damit retten Sie Deutschland aber nicht vor dem Abschwung.

Tiefensee: Das ist ja auch nicht alles. Allein im Bauministerium denken wir auch an Fördermittel, um mehr öffentliche Bauten zu sanieren, für Großwohnsiedlungen, die wir auf einen besseren Stand bringen wollen, um Heizkosten zu senken, an Mittel für den Städtebau. Aber auch für ältere Menschen.

SZ: Für ältere Menschen?

Tiefensee: Wir fördern den Umbau von Wohnungen, damit ältere Menschen möglichst lange in ihren vier Wänden leben können. Das Programm heißt "Wohnung statt Heim". Da werden Türen verbreitert, Schwellen entfernt, elektrische Schalter angepasst, Küchen umgebaut und vieles mehr. Wer das Programm nutzen will, erhält einen verbilligten Kredit von der KfW. Für die Zinsverbilligung will ich im Haushalt 2009 bisher 50 Millionen einsetzen, das könnten wir aber auch deutlich ausweiten. So würden wir viele Hundert Millionen Euro Investitionen anstoßen. Und das gute Alter ist für unsere Gesellschaft ein Zukunftsthema.

SZ: Für die Senioren mag das stimmen. Aber auch für die Wirtschaft?

Tiefensee: Die Faustformel der Wirtschaftswissenschaftler ist: Eine Milliarde Euro Investitionen sichern bis zu 25.000 Arbeitsplätze. Und ich plane noch einen weiteren Schwerpunkt: Mit dem "Investitionspakt Schulen und Kitas" sanieren wir öffentliche Gebäude energieeffizient. Bislang haben wir für 2009 dafür 100 Millionen geplant. Länder und Kommunen geben noch einmal genauso viel dazu. Für dieses Programm gibt es schon jetzt mehr Nachfrage, als wir Geld haben. Jetzt denken wir daran, das auf 300 Millionen aufzustocken, allein vom Bund. Mit Ländern und Kommunen kämen wir dann 2009 auf einen Topf von 900 Millionen Euro. Das ist schon was. Und das entfaltet sofort Wirkung.

SZ: Ein Fließbandarbeiter wird denken: Bänkern wird geholfen, Handwerkern wird geholfen - und was ist mit mir?

Tiefensee: Dem Fließbandarbeiter kann man nur sagen: Da wird Kaufkraft geschaffen, da werden Häuser saniert, und die Produkte dafür entstehen am Fließband. Außerdem senken wir mit unseren Programmen seine Heizkosten.

SZ: Gleichzeitig fehlt dem Bund Geld aus dem Bahn-Börsengang. Das sollte ja auch in Bahnhöfe investiert werden.

Tiefensee: Wir wollen trotzdem mehr in Lärmschutz und Bahnhöfe stecken, vor allem in kleine Bahnhöfe, in Aufzüge, Wetterschutz, Beleuchtung, Rampen. Alles Dinge, die man relativ schnell machen kann. Die entsprechenden Programme sind vorbereitet. Das hilft dann auch der Bauwirtschaft vor Ort.

SZ: Und ganz nebenbei stocken Sie Ihren Haushalt auf...

Tiefensee: Es geht nicht um Forderungen des Verkehrsministers, es geht um Angebote, die schnell Wirkung zeigen. Die Idee, auf vorhandene Programme aufzubauen, ist doch gut. Und einige neue könnten sofort starten.

SZ: Eine andere Idee ist die Reform der Kfz-Steuer. Kommt die?

Tiefensee: Das liegt bei Peer Steinbrück in guten Händen. Wir sollten etwas für den Arbeiter am Autofließband tun und Kaufanreize schaffen. Wichtig ist es, die Steuer so zu gestalten, dass es nicht indirekt zu einer Steuererhöhung kommt. Wo einige dann weniger zahlen, die Besitzer älterer Autos aber mehr. Und wenn sie schnell kommt, dann gibt sie Sicherheit, und dann werden wieder mehr Autos gekauft.

© SZ vom 22.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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