Textilhandel:Passt nicht mehr

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Was geht, was nicht? Der Kampf um den Kunden wird immer härter. "Der Markt befindet sich in einem Ausleseprozess, in dem nur die Besten überleben", sagt Joachim Stumpf, Geschäftsführer der auf den Handel spezialisierten Beratungsfirma BBE. Dabei mangelt es nicht an Nachfrage, sondern an Innovationen. (Foto: Andreas Rentz/Getty Images)

Traditionsreiche Modehäuser wie Steilmann und Wöhrl sind in Schwierigkeiten geraten. Das liegt nicht nur am allzu schönen Spätsommer.

Von Norbert Hofmann

Wer die Sonne liebt, hat die warmen Tage in diesem Spätsommer genossen. Nicht ganz so erfreulich waren sie für die Modehändler in Deutschlands Städten, deren Herbst- und Winterkollektionen in den Regalen liegen geblieben sind. Doch das Wetter ist nicht das einzige Problem, mit dem Teile des Handels zu kämpfen haben. Ein tief greifender Strukturwandel drückt auf die Erfolgsrechnung traditionsreicher Modeunternehmen. Anbieter wie Strenesse, Steilmann, Wöhrl und Sinn-Leffers sind sogar an den Rand der Pleite geschlittert. Mit ihnen leiden Anleger, bei denen die Unternehmen sich durch die Ausgabe von Mittelstandsanleihen Geld fürs Wachstum geliehen haben.

Wenn es doch nicht zu den erhofften Umsatz- und Gewinnsprüngen gekommen ist, hat das nicht nur mit Managementfehlern zu tun. "Der Markt befindet sich in einem Ausleseprozess, in dem nur die Besten überleben", sagt Joachim Stumpf, Geschäftsführer der auf den Handel spezialisierten Beratungsgesellschaft BBE. In ihrer gemeinsam mit dem IFH Institut für Handelsforschung in Köln und Eloboratum New Commerce Consulting erstellten Studie "Fashion Future" zeigen die Berater, wie stark sich die Branche im Umbruch befindet. Der Umsatzanteil der traditionellen Multi-Label-Fachhändler und Kaufhäuser mit breit gefächertem Markenangebot ist demnach in der Zeit von 2000 bis 2015 um gut ein Drittel von rund 55 auf knapp 37 Prozent zurückgegangen.

Sie werden einerseits von Online-Händlern wie Zalando und andererseits von sogenannten Vertikalisten in die Zange genommen. Zu Letzteren gehören internationale Modeketten, die vom Design bis zum Verkauf weite Teile der Wertschöpfungskette unter einem Dach integriert haben und auch kräftig in eigene Onlineshops investieren. Allen voran der schwedische Handelsriese H & M rollt so seit Jahren weltweit die Märkte auf. Noch stärker wächst der spanische Konzern Inditex, der unter seinem Dach Markenshops wie Zara, Bershka und Massimo Dutti vereint. "Vertikalisten sind primär Händler, steuern aber selbst die Produktion und können aufgrund dieses Geschäftsmodells und ihrer Größe von Kostenvorteilen profitieren, die ihnen dann wieder Spielräume bei der Preisgestaltung ermöglichen", sagt Stumpf. Ihr Marktanteil in Deutschland ist laut der Fashion-Future-Studie seit der Jahrtausendwende um über 40 Prozent auf heute mehr als ein Fünftel gestiegen.

Analysten schätzen zudem, dass auf den Onlinemodehandel bereits ein Marktanteil von rund einem Fünftel fällt. Und noch immer wachsen Amazon, Zalando und Co. schneller als der Gesamtmarkt. Denn Textilien sind online gut vergleichbar, und selbst wer lieber in der City oder den Malls bummelt, informiert sich vorher gerne in Internetshops über das Angebot. Für E-Commerce-Anbieter ist zudem gerade der Verkauf hochwertiger Mode attraktiv, weil dabei die Logistikosten weniger ins Gewicht fallen. "Der Onlinehandel gefährdet deshalb besonders die Läden in den mittleren und gehobenen Preissegmenten, in denen die traditionellen Modehändler stark vertreten sind", sagt Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Die Kunden mögen Abwechslung. Pro Jahr müssen immer mehr Kollektionen auf den Markt

Dabei mangelt es nicht an Nachfrage. Zwar stagnieren die Umsätze im Textileinzelhandel. Das liegt aber auch daran, dass die Verbraucher bei gleichen Einkommen heute mehr modische Kleidung zu niedrigeren Preisen kaufen können. "Die Modebranche insgesamt befindet sich nicht in einer Krise, nur fallen jetzt wie so häufig in stagnierenden Märkten die Schwächsten durch den Rost", sagt Roeb. Er rechnet damit, dass sich dieser Ausleseprozess fortsetzen könnte. Und verweist darauf, dass in Branchen wie dem Lebensmittelhandel die starken Player wie Edeka längst viel größere Marktanteile erobert haben.

Im Textilsektor etablieren sich darüber hinaus zunehmend Billiganbieter wie die irische Kette Primark, die in deutschen Städten bereits 21 Filialen eröffnet hat. Auch deutsche Discounter mischen mit. Aldi Süd etwa lockt Kundinnen mit einer Kollektion der Designerin Jette Joop. Lidl hat gerade in einem Pop-up-Store auf Hamburgs Einkaufsstraße "Neuer Wall" für hauseigene Premium-Mode geworben.

All das macht traditionellen Händlern das Leben schwer. "Teile der Textilbranche hängen trotz des stabilen Konsums am seidenen Faden", konstatiert der Kreditversicherer Euler Hermes in einer Marktanalyse. Im Einzelhandel laste unvermindert Druck auf den Gewinnspannen.

"Die Margen in dem von preisbewussten Verbrauchern geprägten deutschen Textilhandel sind grundsätzlich eng", sagt Margrit Leidenroth, Branchenexpertin bei Euler Hermes. Schon wetterbedingte Umsatzeinbrüche können da die Liquidität empfindlich schwächen. Zum Teil seien auch Überkapazitäten und hohe Mietpreise ein Problem.

Da fehlt dann oft Geld für die dringend notwendigen Investitionen ins Onlinegeschäft. "Die zum jeweiligen Unternehmen passende Multi-Channel-Strategie ist zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Textilsektor geworden", sagt Leidenroth. Vielen gelingt es damit, sich neu oder noch besser im Markt zu positionieren. Das Stuttgarter Traditionshaus Breuninger etwa meldet nicht zuletzt dank innovativer Investitionen überdurchschnittliches Wachstum. Auch Hirmer, Beck und Konen sind gute Beispiele dafür, was der Fachhandel leisten kann. "Sie investieren in den Onlinevertrieb und unternehmen erhebliche Anstrengungen, um durch ein attraktives Markensortiment und ergänzende Angebote wie etwa integrierte Restaurants oder branchenfremde Sortimente das von den Kunden heute gewünschte Einkaufserlebnis zu bieten", sagt Experte Stumpf von BBE. Kleinere regionale Einzelhändler können sich häufig ebenfalls gut behaupten, zum Beispiel weil sie mit individueller Sortimentsgestaltung gezielt die Bedürfnisse ihrer lokalen Kunden bedienen und schnell auf Marktveränderungen reagieren können. "Häufig fehlt es ihnen aber auch an der finanziellen Kraft für zukunftsweisende Investitionen sowie der Möglichkeit, den Kostenvorteilen größerer Anbieter Paroli zu bieten", sagt Stumpf.

Herausforderungen bringt auch das veränderte Verhalten der Verbraucher mit sich. "Sie kaufen heute oft eher die neuesten Elektroartikel, ehe sie Geld für die aktuellen Modetrends ausgeben", sagt Leidenroth. Ungeachtet dessen ist mehr Abwechslung gefragt denn je. Im Zuge des Trends zur Fast Fashion bringen die Hersteller deshalb immer mehr Kollektionen pro Jahr auf den Markt. Das kostet Geld. Die Hersteller spüren den Wettbewerbsdruck an den langen Zahlungszielen, die sie den Händlern einräumen. Euler Hermes hat deshalb eine spezielle Textilpolice entwickelt, die das Zahlungsausfallrisiko sowohl mit Blick auf die saisonalen Schwankungen als auch auf die Vorlaufphasen in der Produktion absichert.

Die großen Modehäuser wie Wöhrl, Strenesse und Sinn-Leffers suchen mit Hilfe von Restrukturierungsexperten jetzt Wege aus der Krise. Auch die Gläubiger ihrer Mittelstandsanleihen müssen darauf setzen, dass sie überfällige Maßnahmen umsetzen. Die Trennung von unrentablen Filialen gehört dazu ebenso wie harte Verhandlungen mit den Ladenvermietern, eine noch bessere Profilierung des Sortiments sowie Investitionen in den Onlinevertrieb.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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