Textilfabriken:Beschwerde gegen Prüfunternehmen

Die OECD soll den Brand der Textilfabrik Ali Enterprises untersuchen. Dabei geht es den Initiatoren nicht nur um diesen Einzelfall.

Von Caspar Dohmen, Berlin

Vor sechs Jahren brannte die pakistanische Textilfabrik Ali Enterprises, und mehr als 250 Menschen starben. Bei der Aufarbeitung des Unglücks geriet nicht nur der Hauptauftraggeber KiK wegen der Zustände in der Fabrik in die Kritik, sondern auch das italienische Prüfunternehmen RINA, weil es drei Wochen vor dem Unglück die Fabrik mit dem Zertifikat SA 8000 ausgezeichnet hatte, was eigentliche einen hohen Sicherheitsstandard voraussetzt. Wie konnte das sein? Eine Antwort wollen acht Menschenrechts- und Verbraucherorganisationen aus Deutschland, Pakistan und Italien nun durch ihre Beschwerde gegen RINA bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) erreichen, darunter die Kampagne für saubere Kleidung, Medico International und das European Center for Constitutional and Human Rights. Zuständig sind bei dem Verfahren nationale Kontaktstellen, die italienische ist beim Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit angesiedelt.

Den Beschwerdeführern geht es weniger um den Einzelfall als um das ganze System der freiwilligen Überprüfung. Damit wollen die auftraggebenden Firmen gewährleisten, dass Basisstandards für Sicherheit und Umwelt bei ihren Zuliefern eingehalten werden. Die Idee stammt aus der Zivilgesellschaft, die mit den Resultaten aber schon lange unzufrieden ist. "Das Versagen von RINA, gravierende Mängel bei Brandschutz und Fluchtwegen aufzudecken, zeigt einmal mehr, dass das System von Audits und Zertifizierungen den Arbeitern nichts nutzt", sagt Gisela Burkhardt von der Kampagne für saubere Kleidung. Gravierende Auditdefizite hätten sich auch im Falle des Einsturzes der Fabrik Rana Plaza gezeigt.

Eine Verbesserung des Verfahrens versprechen sie sich von mehr Transparenz. Ihr Vorschlag: Prüfberichte zu Sozialaudits sollten Beschäftigte und Gewerkschaften einsehen können, weil sie die Einzigen seien, die auf Widersprüche zwischen dem Alltag in den Fabriken und Schilderungen der Audits hinweisen könnten. Dass eine solche Transparenz möglich ist, zeigt eine Vereinbarung über Gebäude- und Brandschutz in Bangladesch. Unabhängig von der OECD-Beschwerde laufen die Strafermittlungen der italienischen Justiz gegen RINA weiter. Gleichzeitig bereiten Aktivisten eine zivilgesellschaftliche Klage gegen den Konzern vor.

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