Tengelmann:Klares Nein

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Es wird eng für Tengelmann und Edeka: Die Monopolkommission lehnt eine Ministererlaubnis ab.

Von Caspar Busse, München

Es ist das Sondergutachten Nummer 70 und es hat insgesamt 241 Punkte und 67 Seiten. Zwei Monate hatten die Experten der Monopolkommission in Bonn daran gearbeitet, alle Beteiligten und Betriebsräte angehört, sich immer wieder zu Beratungen getroffen. An diesem Montag wurde das Papier veröffentlicht: Es ist ein Nein, ohne Wenn und Aber - in seiner Klarheit unerwartet deutlich.

Die Kommission, die aus zwei Professoren und drei Vertretern aus der Wirtschaft besteht, lehnt eine Ministererlaubnis für die Übernahme der 451 Kaiser's- und Tengelmann-Supermärkte mit etwa 16 000 Beschäftigten durch den Branchengrößten Edeka rundweg ab. Es gebe auch "keine Möglichkeit, die Ministererlaubnis mit Bedingungen und Auflagen zu erteilen", heißt es weiter. Alle Argumente, die Tengelmann und Edeka in ihrem Antrag hervorgebracht haben, werden in dem Gutachten auseinandergenommen. Insbesondere sei keinesfalls sicher, ob die bestehenden Arbeitsplätze durch die Übernahme gesichert oder gar neue geschaffen werden. Es gebe dafür keine verbindlichen Garantien, vielmehr könnte sogar Bedarf an Umstrukturierung bestehen, was Jobs kosten würde. Tengelmann und Edeka hatten unter anderem argumentiert, das Geschäft sei für den Erhalt der Jobs entscheidend.

Mit dem Nein aus Bonn könnte es nun sehr eng werden für Tengelmann und Edeka. Zwar ist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nun nicht offiziell gebunden, aber in der Regel folgt der Minister mit seiner Entscheidung der Monopolkommission, noch dazu, wenn das Votum so eindeutig ausfällt. Offenbar gab es auch intern keine abweichenden Meinungen.

Nun könnten die anderen Interessenten ins Spiel kommen. Die Handelsgruppe Rewe hat großes Interesse an einer Übernahme. "Die Empfehlung der Monopolkommission deckt sich mit der Einschätzung der Rewe Group", sagte ein Sprecher. Eigentlich sei es nun folgerichtig, den Antrag zurückzuziehen. Die Schweizer Migros-Gruppe ist ebenfalls an Teilen der Tengelmann-Filialen interessiert. Bisher hatte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub alle Interessensbekundungen ignoriert.

Das Kartellamt hatte den Tengelmann-Edeka-Deal Anfang April untersagt. Die Fusion würde zu einer erheblichen Verschlechterung des Wettbewerbs auf ohnehin stark konzentrierten regionalen Märkten in Berlin, in München und Oberbayern sowie in Nordrhein-Westfalen führen, begründete das damals Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Edeka hätte aus Kartellamtssicht aber rund ein Drittel der Kaiser's-Tengelmann-Standorte übernehmen können, wollte dies laut Mundt aber nicht. Tengelmann betonte damals, die Entscheidung führe zu großer Unsicherheit bei den 16 000 Mitarbeitern. Ihnen werde so eine sichere Zukunft im Edeka-Verbund verbaut.

Verdi forderte nun eine "unverzügliche Lösung im Sinne der Beschäftigten". "Es ist verantwortungslos, immer wieder mit der angeblich alternativlosen Zerschlagung von Kaiser's Tengelmann zu drohen, sollte der Deal mit Edeka nicht zustande kommen", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Sie fordert einen runden Tisch, zu dem die Politik einlädt.

Die Ministererlaubnis, die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) festgeschrieben ist, ist umstritten. Durch sie kann eine Entscheidung des Bundeskartellamts aufgehoben werden, und zwar wenn "die gesamtwirtschaftlichen Vorteile" die Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen oder der Zusammenschluss durch ein "überragendes Interesse der Allgemeinheit" gerechtfertigt ist. Wichtig ist dabei, dass der Wirtschaftsminister nicht die Entscheidung des Kartellamts inhaltlich überprüft, sondern sich aus übergeordneten Gründen darüber hinwegsetzen kann.

Insgesamt hat es in den vergangenen Jahrzehnten erst 21 Anträge auf Ministererlaubnis gegeben, die meisten davon sind gescheitert. Einige wurden zurückgezogen, als sich ein Nein abzeichnete, zum Beispiel 2003 die geplante Übernahme der Berliner Zeitung durch den Holtzbrinck-Verlag. Unter Auflagen wurde 1989 die Übernahme des Flugzeug- und Rüstungsherstellers MBB durch Daimler genehmigt, was damals für erhebliche öffentliche Kritik sorgte. 2002 wurde dann unter Auflagen die Ruhrgas-Übernahme durch Eon genehmigt.

Das Verfahren ist immer das Gleiche: Nach dem Antrag auf Ministererlaubnis wird zunächst die Stellungnahme der Monopolkommission eingeholt. Liegt diese vor, wie jetzt im Fall Tengelmann/Edeka, dann führt das Wirtschaftsministerium Ermittlungen durch, hört alle Beteiligten. Schließlich wird eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der Minister aber nicht zwingend anwesend sein muss. Am Ende ergeht die Entscheidung, spätestens vier Monate nach Antragstellung, Beschwerde dagegen kann beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt werden.

Da war noch alles in Ordnung: Kanzlerin Merkel zu Besuch im Tengelmann-Museum 2009. Jetzt muss Vizekanzler Gabriel über eine Übernahme entscheiden. (Foto: Federico Gambarini/dpa)
© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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