Telekommunikation:Freenet - und eine merkwürdige Anzeige

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Mitarbeiter des Mobilfunkanbieters Freenet kämpfen mit großem Einsatz für ihren Chef. Angeblich.

Ralf Wiegand

Der Brief, angeblich geschrieben von der Belegschaft der Freenet AG, klingt, als sei er direkt aus der Feder der PR-Chefs des Telekommunikationsunternehmens geflossen.

(Foto: Foto: dpa)

36.000 Euro kostete die ganzseitige Anzeige, die am Mittwoch in der Tageszeitung Welt erschienen war und in der "viele hundert Mitarbeiter" die Aktionäre der Freenet AG zum "Zusammenhalten!" auffordern - mit dickem Ausrufungszeichen.

Freenet, heißt es in dem heißblütigen Schreiben, sei eine "Erfolgsgeschichte der Telekommunikationsbranche", hinter der ein "starkes Team" stecke, nämlich "wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter".

Und die hätten nun "der Presse entnommen", dass die Freenet-Wettbewerber und Großaktionäre United Internet und Drillisch die Abwahl des Freenet-Aufsichtsrats planten, um den Vorstand auszutauschen inklusive dessen Vorsitzendem Eckhard Spoerr.

Ziel der Aktion sei, dass United Internet und Drillisch "die Kontrolle über die Gesellschaft erlangen", um "die Freenet-Geschäftsfelder untereinander aufzuteilen auf Kosten der Gesellschaft, aller anderen Aktionäre und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter". Das gelte es zu verhindern, und zwar schon bald: High Noon ist an diesem Freitag bei der Hauptversammlung in Hamburg.

Eigeninitiative von Mitarbeitern?

An der Authentizität des Briefs, laut Kleingedrucktem "in Eigeninitiative von Mitarbeitern der Freenet AG entstanden und von diesen bezahlt", kamen allerdings Zweifel auf, bevor die Druckerschwärze trocken war.

So klagte etwa der Betriebsratschef der kürzlich von Freenet übernommenen Debitel, Carsten Hügin, in einem Brief an Spoerr, es könne nicht angehen, "dass Mitarbeiter instrumentalisiert werden, um über die Medien die Entscheidungen der Aktionäre bei der Hauptversammlung zu beeinflussen".

In einschlägigen Internet-Foren spekulieren Spoerr-Gegner sogar, die Kampagne sei direkt vom Freenet-Vorstand initiiert und bezahlt, zumindest aber befördert worden, in dem die Belegschaft per Firmen-Mail zum Mitmachen aufgefordert worden sei.

Spoerr, heißt es, reagierte seinerseits mit einem Brief an Hügin, in dem er die "Verunglimpfung von hunderten von Mitarbeitern" seiner 7000 Angestellten beklagte. Auch der Betriebsrat in Hamburg versichert, an allen Freenet-Standorten hätten Sammeldosen gestanden, die Veröffentlichung hätte die Belegschaft alleine bezahlt, "denn wir brauchen endlich Ruhe und Konstanz im Unternehmen".

Davon ist Freenet freilich meilenweit entfernt. Spoerrs ohnehin geschwächter Position setzen nun auch noch die Halbjahreszahlen zu. Der Internetdienstleister, durch den umstrittenen und gegen den Willen von Drillisch und United Internet durchgesetzten Kauf von Debitel drittgrößter Mobilfunkanbieter in Deutschland, verdiente von Januar bis Juni nur noch ein Drittel im Vergleich zum Jahr davor.

Ständiger Preisverfall

Das Konzernergebnis sank von 89,8 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum auf nun 22,5 Millionen. Der Umsatz ging auf 877,3 Millionen Euro, die Zahl der Freenet-Kunden auf 10,96 Millionen zurück. Freenet erklärte vor kurzem, man bewege sich eben in von ständigem Preisverfall geprägten Märkten - ein Trend, mit dessen "Verlangsamung oder Umkehr" die Gesellschaft so bald auch nicht rechne. Spoerr will nun, dank Debitel, verstärkt auf Mobilfunk setzen und die DSL-Sparte verkaufen.

Allerdings wird der kantige 40-Jährige nicht mehr lang das Sagen bei Freenet haben, wenn es nach Ralf Dommermuth und Paschalis Choulidis geht. Dommermuth ist Chef des Internet-Providers United Internet aus Montabaur (1 &1, X, Web.de), Choulidis steht dem Mobilfunk-Provider Drillisch (u. a. Alphatel) vor.

Über die gemeinsame Holding MSP versucht das Tandem seit gut einem Jahr vergeblich, Freenet zu übernehmen; der eine bekäme die Mobilfunk-, der andere die DSL-Sparte. Ihr Anteil an der Freenet AG beträgt knapp 26 Prozent, zu wenig zur Abwahl der Konzernführung. Am Freitag brauchen sie Unterstützer, doch der Gegner ist gewarnt. Wie formulierten die Mitarbeiter noch? "Zusammenhalten!" - mit Ausrufungszeichen.

© SZ vom 08.08.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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