Technologiemesse CES:Langweilig, egal, gaga

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Die Unterhaltungselektronik-Branche ist zwischen zwei Entwicklungszyklen gefangen, ihr fehlen die bedeutenden Innovationen.

Von J. Schmieder und K. Werner

Wer die Technologiemesse CES besucht, der bekommt schon vorher Hunderte E-Mails mit gewaltigen Versprechen: die tollsten Drohnen, die coolsten Roboter, die filigransten Fitness-Armbänder. Fast 200 000 Menschen drängen sich durch die Hallen in Las Vegas, um sich die neueste Unterhaltungselektronik anzuschauen. Ein Hersteller von Fernsehgeräten schreibt gar in überdimensionalen Buchstaben: "Innovationen für ein besseres Leben". Was zu einem besseren Leben allerdings fehlt, das sind die Innovationen.

Die Branche ist zwischen zwei Entwicklungszyklen gefangen: Die Verbesserung bekannter Geräte wie Server, Smartphones und Fernseher wirkt eher unspektakulär. Nach Zukunft klingende Produkte wie Künstliche Intelligenz, Drohnen und Datenbrillen sind noch nicht ausgereift. Die meisten Produkte auf der CES lassen sich in drei Kategorien einteilen. Erstens: Funktioniert, ist aber langweilig. Zweitens: Cool, aber erst in Jahren fertig - wenn überhaupt. Und drittens: Völlig gaga, braucht kein Mensch.

In die erste Kategorie fallen Fernseher, Hausmanagement-Systeme und Telefone - präziser, schärfer, schneller, schicker. Ein neues Gerät für ein besseres Leben aber, das fehlt. Ähnlich ist es mit Fitness-Armbändern und schlauen Uhren: Es gibt nun zwar Varianten mit Lederbändchen und Strass-Steinchen, aber die Technik hat sich kaum weiter entwickelt.

Hoffnung bieten Produkte, die das Leben verbessern könnten - allerdings nicht in naher Zukunft: Selbstfahrende und miteinander vernetzte Autos etwa, oder bezahlbare elektrische Fahrzeuge. Neun große Autohersteller sind bei der CES vertreten. Ihre Prototypen sind beeindruckend, so schnell jedoch wird sie niemand auf der Straße sehen. Tausende Start-ups antworten bei der Präsentation ihrer revolutionär klingenden Ideen auf die Frage, wann diese denn erhältlich sind: "In ein paar Jahren. Hoffentlich. Wenn wir Investoren finden." Selbst der vor einem Jahr gefeierte autonom gießende Blumentopf ist noch nicht fertig.

Auch Virtual und Augmented Reality sind nur Hoffnungswerte. Es gibt zwar Brillen und Helme, die in echt anmutende Parallelwelten entführen, in denen man den Kopf in alle Richtungen bewegen kann. Aber es gibt kaum Anwendungsmöglichkeiten, die meisten Zocker können sie für ihre Spiele nicht nutzen, andere werden gar seekrank. Ähnlich ist es bei Drohnen. Sie können mehr tragen oder weiter fliegen als bisher, zuverlässig sind sie noch immer nicht. Sie bleiben eine Spielerei für Technik-Fans, keine Produkte, die Lieferketten revolutionieren.

Die CES nimmt sich selbst zu wichtig. Eine Branche, die Produkte für eine bessere Zukunft entwickeln will, lässt sich davon ablenken, eine Glitzerwelt für Messebesucher zu kreieren. Die Messe ist wie Las Vegas: viel Gedöns um große Hoffnungen, die sich meist nicht erfüllen.

Was hilft, ist die dritte Kategorie: Gaga-Gadgets. Ob eine Spielkonsole für Hunde, eine Smartphone-Hülle mit Düften zum Handyspiel Candy Crush Saga oder ein Wecker, der einen mit dem Duft frischer Croissants aus dem Schlaf holt: Solche skurrilen Produkte lenken wohltuend vom Weltretter-Anspruch der restlichen Branche ab. Ein paar Firmen helfen auch dabei, die Enttäuschung hinunterzuspülen: Ein Hightech-Kasten schenkt Wein in perfekter Temperatur aus, ein anderer Cocktails. Und Bierbrau-Roboter gibt es auch.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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