Konsum:Was brüht denn da

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Wenn der Filterkaffee im Home-Office nicht mehr schmeckt: In der Krise wurden deutlich mehr Siebträger-Kaffeemaschinen verkauft. (Foto: Nathan Mullet/Unsplash)

Haarschneider, Kopfhörer, Kaffeeautomaten: Händler erwarten in diesem Jahr mehr Umsatz mit Technik für daheim. Doch längst nicht alle Läden und Warengruppen profitieren in der Krise.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Die Haare wucherten länger und länger, doch der Friseur musste wochenlang schließen. Die Kollegen luden zur Videokonferenz, doch das Mikro im Home-Office taugte nichts. Der Filterkaffee schmeckte mit jedem Tag öder, doch das Café um die Ecke machte dicht. Die Corona-Krise hat so manchem Haushalt Grenzen der heimischen Technik vor Augen geführt. Das freut die Elektronikhändler: Kunden in Deutschland werden in diesem Jahr mehr als 63 Milliarden Euro für technische Gebrauchsgüter ausgeben, prognostiziert das Marktforschungsinstitut GfK nun, dies wären 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Von Krise also keine Spur?

Steffen Kahnt, Geschäftsführer des Bundesverbands Technik des Einzelhandels (BVT) in Köln, formuliert es vorsichtiger: "Wir können sagen, dass das Corona-Jahr 2020 für unsere Branche relativ glimpflich enden könnte." Zwar mussten zunächst im Frühjahr auch Elektronikmärkte wochenlang schließen, um Infektionen zu vermeiden. Dafür habe im Sommer "schon fast ein kleiner Kaufrausch" eingesetzt, sagt Kahnt. Doch der Aufschwung geht an einigen Händlern und Warengruppen vorbei.

Starkes Wachstum sieht die GfK bei Haushaltsgeräten: Beispielsweise verkaufen Händler deutlich mehr Siebträger-Kaffeemaschinen und Espresso-Vollautomaten, Gefriertruhen und Küchenmaschinen. In Zeiten von Home-Office und geschlossenen Restaurants kochen und backen die Menschen mehr zuhause. Besonders viele Erstkäufer registrierte die GfK im Frühjahr bei Haarschneidern und Epiliergeräten. "Personen haben sich tatsächlich getraut, an die eigenen Haare heranzugehen", sagt Andreas Peplinski, Experte für technische Gebrauchsgüter bei dem Nürnberger Institut.

Elektronikläden ohne Onlineshop büßen deutlich ein

Für die Arbeit von Zuhause kaufen Kunden in diesem Jahr im Schnitt größere Bildschirme, vermerkt der Marktforscher. Starkes Wachstum sieht die GfK auch bei schnurlosen Tastaturen und Computermäusen, Kopfhörern - und bei kleinen Lenkrädern für Videospiele. Hier rechnet das Institut sogar damit, dass der Umsatz in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 75 wachsen könnte. Wenn der Mannschaftssport ausfällt, müssen eben virtuelle Wettrennen herhalten. Einen deutlichen Rückgang erwartet die Branche dagegen bei Fotoapparaten und Selfie-Sticks. Mit Fernreisen und Veranstaltungen fallen klassische Anlässe weg, sich eine Kamera zu kaufen.

Auf das anstehende Weihnachtsgeschäft blicken die Händler "mit eher gemischten Gefühlen", sagt Verbandsgeschäftsführer Kahnt. Zwar müssen Elektronikmärkte, wie es aussieht, nicht abermals wochenlang schließen. Dennoch sei in diesem Advent wohl kein Shopping-Ansturm in Innenstädten zu erwarten. "Wir stellen ganz klar fest, dass die Einkaufszentren leiden", sagt Frank Schipper, Geschäftsführer einer großen Euronics-Filiale in Lüdinghausen im Münsterland.

Die GfK prognostiziert, dass Elektronikhändler ohne Onlinegeschäft in diesem Jahr deutlich an Marktanteil verlieren werden; im Gegenzug gewinnen Webshops klassischer Händler und reine Internethändler an Bedeutung. Der Branchenverband BVT hält dies nach eigenem Bekunden für eine "dauerhafte Verschiebung" zugunsten des Onlinehandels. In den stationären Läden sei weniger los, sagt Schipper. "Wir haben nicht so viele Gucker im Geschäft." Dafür kauften die Kunden gezielter ein, gäben im Schnitt mehr Geld pro Einkauf aus.

Technikhändler erwarten "Rallye" bevor die Mehrwertsteuer wieder steigen soll

Hoffnung machen dem Technikhandel mit seinen etwa 100 000 Beschäftigten in Deutschland zum einen Innovationen: Beispielsweise kamen in diesem Jahr faltbare Smartphones auf den Markt, die ihre Bildschirmgröße verdoppeln können und laut GfK im Schnitt knapp 1500 Euro kosten. "Die Verkäufe ziehen an", sagt Marktforscher Peplinski und verweist auf drei- bis vierstellige Verkaufszahlen in den vergangenen Wochen. Auch der Anteil der Smartphones, die für den neuen Mobilfunkstandard 5G geeignet sind, sei im vorigen Quartal auf immerhin fünf Prozent gestiegen. Hier macht sich vor allem das neueste iPhone von Apple bemerkbar, das - mit einem entsprechenden Mobilfunktarif - für die schnellere Technik taugt.

Zum anderen sieht sich die Branche als Profiteur der noch bis Jahresende gesenkten Mehrwertsteuer. "Das macht bei unseren Produkten einiges aus", sagt Verbandsgeschäftsführer Kahnt. "Möglicherweise wird der eine oder andere einen Kauf vorziehen." Auch Marktleiter Schipper glaubt an eine "Jahresendrallye", vor allem an den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester. Allerdings hat die Bescherung auch ein Nachspiel: "Wenn ich ehrlich bin", so Schipper, "rechne ich dann im Januar mit einer kleinen Delle."

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