Tech-Unternehmen:Facebook wird weiß

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Neue Optik, neues Facebook: Mark Zuckerberg verkündet seine Strategie der Zukunft. (Foto: Amy Osborne/AFP)

Zuckerberg will seine Firma nach Jahren voller Skandale umbauen. Das betrifft Optik und Inhalte. Und der Gründer kündigt mehr Privatsphäre an.

Von Simon Hurtz, Berlin

Mark Zuckerberg braucht nur wenige Sekunden, um seine wichtigste Botschaft loszuwerden. "Heute werden wir beginnen, eine soziale Plattform zu bauen, die auf Privatsphäre ausgelegt ist", begrüßt er das Publikum vor Ort in San José und die Zuschauer im Livestream. Nach zwei Jahren voller Skandale will sich Facebook radikal ändern. Das wiederholt Zuckerberg bei seiner Rede auf der Entwicklerkonferenz F8 immer wieder. Doch ein Mantra aufzusagen, ist das eine. Eines der wichtigsten Unternehmen der Welt komplett umzubauen, das andere. Die wichtigsten Ankündigungen in der Analyse.

Facebook (App und Website): Das markante Blau verschwindet. Die neue Oberfläche mit viel Weißraum wirkt moderner und soll schneller sein. Auch inhaltlich räumt Facebook um: Die Gruppen werden wichtiger und erhalten einen eigenen Tab. Die neue App wird in Deutschland im Laufe der kommenden Wochen verteilt, für die neue Website braucht Facebook noch etwas länger.

Der Fokus auf Gruppen läutet den Anfang vom Ende des Newsfeeds ein. Jahrelang war die algorithmisch sortierte Timeline Facebooks wichtigstes Produkt und ideal geeignet, um zwischen den Beiträgen von Freunden personalisierte Werbung anzuzeigen. Doch immer weniger Menschen teilen dort Inhalte und sehen Anzeigen. Sie kommunizieren lieber in abgeschlossenen Räumen, die sie als persönlicher und privater empfinden. Daten sammelt Facebook in Gruppen genauso wie im Newsfeed.

Messenger: Die App soll die "schnellste und sicherste Chat-Plattform der Welt" werden. "Im Laufe des Jahres" sollen Nachrichten Ende-zu-Ende verschlüsselt werden. Aus Facebooks Sicht mindestens genauso wichtig sind die neuen Funktionen für Unternehmen: Künftig könnten Nutzer etwa direkt im Messenger Termine mit Friseuren, Autowerkstätten und anderen Dienstleistern buchen.

Standardmäßige Verschlüsselung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch Facebook könnte von der Umstellung profitieren: Das Vertrauen der Nutzer steigt - und gleichzeitig kann Facebook weiter Metadaten sammeln. Wer wann, wo und mit wem chattet, erfährt Facebook auch mit verschlüsselten Nachrichten. Gleichzeitig zeigen die neuen Geschäftsfunktionen, dass Facebook mehr Geld aus der Messenger-Plattform holen will.

Instagram: Die Fotoplattform wird zum Einkaufszentrum. Influencer können Nutzern bald direkt Produkte verkaufen. Außerdem testet Instagram eine Möglichkeit, die Zahl der Likes für Fotos und Videos zu verbergen.

Die neue Shopping-Funktion zeigt, wohin sich Instagram entwickelt: Aus einer App, in der Menschen einst private Fotos mit Freunden teilten, ist eine globale Marketingplattform geworden. Der optionale Verzicht auf Like-Zahlen ist sinnvoll. Insbesondere Teenager wetteifern mit ihren Freunden um die "erfolgreichsten" Beiträge. Likes sind zum Statussymbol geworden und erzeugen großen sozialen Druck.

Es bringt nichts, reflexhaft alles zu kritisieren, was Zuckerberg in Aussicht stellt, nur weil Facebook bisher selten etwas umgesetzt hat. Doch das Unternehmen hat in den vergangenen zwei Jahren wirklich hart dafür gearbeitet, mit maximalem Misstrauen beäugt zu werden. Die Chronik der Skandale wirkt nicht vertrauensbildend.

Immerhin scheint Zuckerberg die Größenordnung des Problems verstanden zu haben: Mehrfach betont er, dass Facebook nicht nur seine Produkte, sondern auch seine interne Struktur grundlegend neu ausrichten müsse. Das werde fünf, vielleicht sogar zehn Jahre dauern. Außerdem gibt er zu, dass er selbst auf viele Fragen noch keine Antworten habe. Diese Demut steht Facebook gut zu Gesicht. Vor einem Monat hat sich Zuckerberg schärfere Regulierung und demokratische Aufsicht für globale Plattformen gewünscht. Das bleibt auch nach dieser Keynote eine vernünftige Idee.

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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