Teamviewer:Schwäbische Alb gegen Silicon Valley

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Der Börsengang der Software-Schmiede zeigt: Auch Deutsche können programmieren. Das Geld fließt aber nach England.

Von Stefan Mayr, Stuttgart/Frankfurt

Oliver Steil hat 300 Mitarbeiter von Göppingen nach Frankfurt mitgebracht. Sie bevölkern am Mittwochmorgen das Parkett der Frankfurter Börse, allesamt in weißen Polohemden mit hellblauem Teamviewer-Logo. Als besonderes Requisit haben alle ein kleines Glöckchen in der Hand, mit dem sie den Handelsplatz in eine Bimmelbude verwandeln. Und während Vorstandschef Steil den Börsengang der Software-Firma mit der obligatorischen Glocke einläutet, führt seine Crew einstudierte Tänzchen auf.

Das Spektakel ist dem Anlass angemessen. Es ist die größte Neu-Emission Europas in diesem Jahr, und bei einem Volumen von 2,21 Milliarden Euro immerhin die fünftgrößte weltweit. Deutschland hat damit nun einen neuen Milliarden-Konzern auf dem Kurszettel - und das tatsächlich noch aus der IT-Branche. Das Börsendebüt von Teamviewer wird allenthalben als bundesrepublikanischer Hoffnungsschimmer gewertet, der den angeschlagenen Ruf Deutschlands als IT-Standort ein bisschen reparieren könnte. Das stimmt einerseits, denn immerhin demonstrieren die Programmierer von der Schwäbischen Alb, dass sie mit mancher Überflieger-Firma aus dem Silicon Valley sehr gut mithalten können. Die 800 Mitarbeiter machen mehr als 230 Millionen Euro Jahresumsatz, bei einer mächtigen Brutto-Marge von über 50 Prozent. Und seit Mittwoch ist die Firma offiziell 5,25 Milliarden Euro wert.

Der Firmensitz ist auf der Alb, doch das Geld fließt vor allem nach London

Die Software von Teamviewer verbindet Computer weltweit in Echtzeit für Online-Konferenzen, zur Fernwartung oder zur Fernsteuerung von Maschinen. Damit hat das Unternehmen auch in den USA bereits kräftig Marktanteile eingefahren. Nach eigenen Angaben sind oder waren etwa die Hälfte aller Fortune-500-Unternehmen Kunden von Teamviewer.

Andererseits aber zeigt der Börsengang auch das große Problem aufstrebender deutscher Firmen: Zwar wurde die Software in Göppingen entwickelt und der Hauptsitz ist bis heute in der Großen Kreisstadt zwischen Stuttgart und Schwäbischer Alb. Eigentümer ist aber längst der Finanzinvestor Permira aus London. Der Erlös der Börsengangs fließt dann auch komplett nach London; Permira macht kräftig Kasse, nachdem der Investor das Unternehmen vor fünf Jahren für nur 870 Millionen gekauft hatte. Künftig wird Permira 58 Prozent der Anteile halten, die am Mittwoch verkauften 42 Prozent gingen vor allem an institutionelle Anleger aus den USA.

"Es ist immer dasselbe", sagt Rafael Laguna, Direktor der vom Bund getragenen Agentur für Sprunginnovationen (Sprin D). Immer, wenn innovative deutsche Unternehmen vor der zweiten Finanzierungsrunde stehen, fänden sie hierzulande keine Investoren. "Deshalb biegen viele Raketen, die in Deutschland starten, irgendwann Richtung USA und China ab." Auch deshalb stehe Deutschland als IT-Standort viel schlechter da als die USA und China, wie Mirko Maier, Technologie-Analyst der Landesbank Baden-Württemberg bestätigt: "Wenn in den USA jemand sein Unternehmen für eine Milliarde verkauft, dann fließt dieses Geld wieder in andere, neue Start-ups." Dieses "Perpetuum Mobile" fehle in Deutschland. Und das werde in naher Zukunft auch so bleiben, prophezeien Laguna und Maier.

Die Teamviewer-Manager lassen sich am Mittwoch von solchen Gedanken die Stimmung nicht vermiesen. "Ich bin sehr, sehr stolz", sagt der 2018 von Permira eingesetzte Vorstandschef Steil. "Wir haben eine große Zukunft vor uns." Dass der Erlös des Börsengangs nicht nach Göppingen fließt, ist für Finanzvorstand Stefan Gaiser kein Problem: "Wir brauchen kein zusätzliches Geld für unser Wachstum. Das schaffen wir aus eigener Kraft."

Der Aktienkurs gab zunächst keinen Anlass zum Jubeln

Gaiser und Vorstandschef Steil zeigen sich in Frankfurt betont leger gekleidet - mit Jeans und Poloshirt. Anzug und Krawatte haben sie lieber zu Hause gelassen. Die Pressefotos draußen vor der Bullen-Skulptur absolvieren sie in dunkelblauen Softshell-Kapuzenjacken. Ganz so, wie es sich für ein junges IT-Unternehmen heutzutage wohl gehört.

Der Aktienkurs gab am ersten Tag allerdings noch keinen Anlass zum ausgelassenen Feiern: Er konnte das Ausgabe-Niveau von 26,25 Euro nicht halten und fiel um bis zu fünf Prozent auf 24,80 Euro. Dennoch zeigte sich Finanzchef Stefan Gaiser "sehr zufrieden". Er rechnet durch den Börsengang "mit mehr Aufmerksamkeit, vor allem im Großkundenbereich". Die Konjunkturabkühlung mache ihm keine Sorgen. Denn gerade im Abschwung würden Firmen versuchen, Reisekosten zu sparen - und deshalb Teamviewer-Produkte nutzen. Deshalb erwartet er für das aktuelle Geschäftsjahr Wachstumsraten von bis zu 39 Prozent. Derzeit hat das Unternehmen laut Börsenprospekt 368 000 Abonnenten, die für das Programm zahlen. In der Basisversion ist die Software kostenlos, sie ist nach Angaben der Firma auf zwei Milliarden Geräten installiert.

LBBW-Analyst Maier traut dem Göppinger Unternehmen sogar noch in diesem Jahr den Sprung in den M-Dax zu: "Wenn sich der Kurs noch leicht positiv entwickelt und die Börsenumsätze stimmen, könnte das klappen." Allerdings weist er auch auf Herausforderungen hin: "Der Markt hat viel Potenzial, ist aber auch sehr umkämpft." Man stehe im Wettbewerb mit großen Konzernen und auch vielen kleinen, agilen US-Unternehmen. Silicon Valley gegen Swabian Alb also. "Da kann sich Teamviewer nicht ausruhen", sagt Maier.

Ein weiterer Risikofaktor sei das Thema Sicherheit: "Fernwartung und Fernzugriff durch die Firewall auf den Computer, das hat auch seine gefährlichen Schattenseiten." Hackerangriffe könnten da gefährlich werden. "Da muss das Unternehmen aufpassen", sagt Maier.

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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