Tarifstreit bei der Bahn:Quadratur des Dreiecks

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Nur die Gerichte können den Lokführer-Ausstand noch vereiteln - für eine Einigung ist es zu spät. Dabei kämpfen die Lokführer nicht nur gegen die Bahn, sondern auch gegen die beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA.

Michael Bauchmüller

Die Chemnitzer Richter hatten ihr Urteil noch gar nicht gesprochen, da war Deutschlands oberstem Lokführer schon klar: Sollte der Bahnstreik an diesem Freitag verboten werden, "gehen wir bis zum Bundesgericht".

Für Manfred Schell, den Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL, geht es jetzt um alles. Außer Richtern kann niemand die Lokführer stoppen. Keine Einsicht. Keine Verhandlungen. Kein neues Angebot der Bahn. Dafür ist die Sache zu verfahren.

Es ist wie eine Quadratur des Dreiecks. Die Lokführer kämpfen nicht nur gegen die Bahn, um 31 Prozent mehr Lohn, um längere Ruhezeiten, um kürzere Arbeitszeit. Sondern auch gegen die beiden anderen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA. Denn all das soll in einem eigenständigen Tarifvertrag Niederschlag finden.

Knapp 800 Mitglieder haben schon zur GDL gewechselt

Einem Tarifvertrag, der dann allein für Mitglieder der GDL gelten würde, aber nicht nur für deren Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter oder Kellner im Bordrestaurant. Sollte sich die GDL durchsetzen, liefen den beiden anderen Gewerkschaften die Mitglieder davon. Knapp 800 haben schon jetzt gewechselt, heißt es bei der Transnet. Keine der drei beteiligten Parteien kann es sich leisten, klein beizugeben - ohne selbst beträchtliche Verluste zu erleiden.

Nicht von ungefähr haben die beiden größeren Gewerkschaften ihren jüngsten Tarifvertrag nur samt Klausel unterschrieben. Im Juli hatten sich Transnet und GDBA mit der Bahn auf 4,5 Prozent mehr Lohn und einmalig 600 Euro geeinigt.

Allerdings nur solange, wie die Lokführer für sich nichts Besseres aushandeln. Sollte ihnen das gelingen, wollen auch die anderen Bahngewerkschaften vom Frieden nichts mehr wissen - die wollen dann auch mehr Geld.

Ein Zurück gibt es nicht mehr

Ein Zurück aber, und hier liegt das nächste Problem, gibt es für die kleine Lokführer-Gewerkschaft nicht mehr. Würde sie jetzt vollends einknicken, dürfte der ältesten deutschen Gewerkschaft erst recht keine allzu große Zukunft beschieden sein.

Aus diesem Kalkül heraus hat die GDL bislang alle Verhandlungsangebote der Bahn abgelehnt. Denn sie alle liefen darauf hinaus, die Lokführer zurückzuholen in den großen Bahn-Tarifvertrag, in dem sich die Gewerkschaft schon seit 2003 schlecht aufgehoben fühlt.

Zunächst wollte das Unternehmen einfach nur über Verbesserungen bei der Eingruppierung der Lokführer nachdenken. Würden sie hochgestuft, könnten sie auch mehr verdienen, argumentierte der Bahnkonzern. Einen eigenen Tarifvertrag schloss er aber aus - und scheiterte.

"Konflikt- und widerspruchsfrei"

Auch dem "Moderatorenverfahren" konnte insofern kein Durchbruch folgen. Zwar schrieben die Unterhändler Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler fest, dass die GDL "einen eigenständigen Tarifvertrag" über Lohn und Arbeitszeit aushandeln dürfe. Dieser sollte sich aber "konflikt- und widerspruchsfrei" ins sonstige Tarifwerk der Bahn einfügen. Was ungefähr so viel heißt wie: Ihr dürft verhandeln, aber nichts anderes erzielen als die anderen Gewerkschaften. Die GDL machte nicht mit.

Und auch das allerletzte Angebot der Bahnspitze konnte die Lokführer nicht besänftigen: Sie sollten zwar mehr Gehalt bekommen, aber auch mehr arbeiten. Für Transnet und GDBA hätte das gleiche gegolten. Schell lehnte dankend ab. "Eine zielführende Fortsetzung der Tarifverhandlungen kann nicht zustande kommen", beschied die Gewerkschaft am Montag der Bahn.

Umso entscheidender ist nun, was das Chemnitzer Arbeitsgericht sagt. Schon einmal hat es ganz im Sinne der Bahn geurteilt, das war im vergangenen August. Folgerichtig haben nun gleich alle wichtigen Bahntöchter eine einstweilige Verfügung in Chemnitz beantragt - der zuständige Richter ist der gleiche wie ehedem.

Psychologische Wirkung könnte entscheidend sein

Die psychologische Wirkung einer einstweiligen Verfügung könnte die Lokführer schachmatt setzen: Denn ein Berufungsverfahren kann sich in die Länge ziehen - und an der Streikbereitschaft der GDL-Basis kräftig nagen. Und das, obwohl zahlreiche Arbeitsrechtler inzwischen zu dem Schluss gekommen sind, dass sich in letzter Instanz ein solcher Streik kaum verbieten ließe.

Auf 64 Seiten, verschickt an alle deutschen Arbeitsgerichte, hat GDL-Anwalt Ulrich Fischer vorsorglich dargelegt, warum die GDL im Recht sei. "Es geht um deren Existenzrecht", schreibt er an einer Stelle. Und um die eigene Existenz kämpft ein jeder besonders verbissen.

© SZ vom 5.10.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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