Talente: Melanie Huml (12):Sammlerin von Superlativen

Lesezeit: 4 min

Die bayerische Staatssekretärin Melanie Huml ist mit 32 Jahren die jüngste Staatssekretärin seit Monika Hohlmeier. An das Rampenlicht muss sie sich trotzdem erst gewöhnen.

Hannah Wilhelm

Kinder stellen oft die besten Fragen. "Wir mächtig bist Du eigentlich?" So direkt wie von dem Viertklässler wird Melanie Huml wohl selten gefragt. Da muss sie erstmal nachdenken. "Wenn ich eine Idee gut finde, muss ich neun Menschen davon überzeugen. Wenn ich das schaffe, kann ich die Idee umsetzen."

Trägt gerne rot: Melanie Huml, Staatssekretärin im bayerischen Sozialministerium (Foto: Foto: privat)

Die neun Menschen, das ist das halbe bayerische Kabinett. Die 32-jährige Huml ist Staatssekretärin im bayerischen Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Damit ist sie sehr mächtig für ihr Alter.

Günter Beckstein, Edmund Stoiber, Alois Glück, sie alle waren auch mal Staatssekretäre. Der Unterschied: Die drei Herren waren damals schon um einige Jahre älter, als Huml es jetzt ist. Der Job ist alles andere als ein Abstellgleis. Wer es mal soweit geschafft hat, kommt meistens weit, sehr weit.

Melanie Huml ("Nur mit vier Buchstaben, nicht wie die Hummel") ist die zweite Frau im Ministerium, hinter Sozialministerin Christa Stewens. Als der bayerische Ministerpräsident Beckstein die junge Bambergerin im Oktober vergangenen Jahres ins Kabinett holte, waren einige in der CSU wenig begeistert.

Sie hatten selbst lange genug auf diesen Posten gewartet und mussten plötzlich mit ansehen, wie die kleine Frau mit den ständig rotgeschminkten Lippen an ihnen vorbeizog. "Ich weiß ja, dass du gute Arbeit machst", hat eine Parteifreundin damals zu ihr gesagt, erzählt Huml, "aber muss das so schnell gehen? Du hast doch noch Zeit."

Gerade im Moment hat Huml gar keine Zeit. Im Gegenteil: Es pressiert. Leicht nervös rutscht sie auf ihrem Stuhl in der ersten Reihe herum, ihr Blick schweift nach links, dann nach rechts, während sich der Vortrag des freundlichen Herrn vom Jugendamt Forchheim auf dem oberfränkischen Kinderschutzkonferenz in die Länge zieht. Huml muss los. In zwei Stunden beginnt die Fraktionssitzung im Landtag, und zwei Stunden braucht man schon von Bayreuth nach München, selbst mit dem schicken Dienst-Audi.

Überall der Stargast

Melanie Huml ist viel unterwegs. Keiner ihrer Vorgänger hatte so viele Terminanfragen wie sie. Sie ist eine Frau, sie ist hübsch, sie ist anders. Sie sammelt Superlative, war 2003 die jüngste Abgeordnete des Bayerischen Landtags, ist die jüngste Staatssekretärin seit Monika Hohlmeier. Deshalb wollen sie alle mal sehen, mal anfassen.

Wo sie hinkommt, ist sie der Stargast, in allen Reden wird sie als erstes begrüßt, die Zweireiherträger freuen sich so über ihre Anwesenheit, da sie die Wichtigkeit des Themas der Veranstaltung hervorhebt. Sagen die Herrschaften und legen bedächtig ihre Hände über den Mittelstandsbauch.

"An die ganze Aufmerksamkeit musste ich mich erst gewöhnen", sagt Huml. Wenn sie nach den aufgeregten Willkommensreden auf die Bühne geht und ihren Vortrag hält, wirkt sie zunächst wie eine Studentin, die sich brav für den gerade übergebenen Nachwuchspreis bedankt. Dann aber wirbelt die junge Frau - wie fast immer in Rot gekleidet und wild gestikulierend - durch das Thema Kinderschutz.

Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie ist Medizinerin. Sie hat parallel zu ihrer Abgeordnetentätigkeit promoviert, sogar eine Zeit lang halbtags an einem Klinikum gearbeitet. Sie ist fleißig. Das beeindruckte Beckstein und verhalf ihr zu ihrem Job. Heute in Bayreuth hilft ihr das Fachwissen, um die anwesenden Psychologen und Ärzte davon zu überzeugen, dass sie es ernst meint mit dem Kinderschutz. Sie erzählt von den Erfahrungen befreundeter Kinderärzte und den Nöten alleinerziehender Bekannter.

Melanie Huml ist nicht den üblichen Weg gegangen, es ging für sie sehr schnell aufwärts. Das weiß sie auch. Gerne erzählt sie Anekdoten: Zum Beispiel wie bei einem Empfang in Brüssel der arme Beamte nicht recht glauben konnte, dass die junge Dame die erwartete Staatssekretärin ist. Oder dass jemand sie schlichtweg für die Sekretärin der Ministerin gehalten hat.

Das freut sie, und dann lacht der rotgeschminkte Mund. Natürlich sei sie sehr überrascht gewesen, als Beckstein ihr andeutete, dass sie Staatssekretärin werden könnte. Ihr Mann, niedergelassener Rechtsanwalt in Bamberg, scheint auf jeden Fall keine Zweifel an ihr gehabt zu haben: Noch bevor sie sich recht entschieden hatte, kaufte er eine Bahncard, um sie regelmäßig in München besuchen zu können. Eine gute Freundin wischte ihre Bedenken beiseite: "Du sagst doch immer, die junge Generation muss Verantwortung übernehmen", sagte sie - "und damit hatte sie recht", befindet Huml heute.

Leicht ist ihr die Entscheidung für die Politik nicht gefallen, denn es war - zumindest vorerst - eine Entscheidung gegen die Medizin. "Als ich 2003 erfuhr, dass ich überraschend in den Landtag gewählt worden bin, habe ich als erstes gedacht: Oh je, wie sage ich das meinem Chefarzt. Erst danach kam die Freude", erinnert sie sich. Heute ist sie froh über ihre Entscheidung. Die Politik sei vielfältiger, und auch hier könne sie für Menschen da sein.

Auf der oberfränkische Kinderschutzkonferenz findet der Vortrag des freundlichen Herrn das ersehnte Ende. Die Staatssekretärin springt auf und verlässt unter freundlichem Nicken die Bayreuther Stadthalle. Schnell noch ein Glas Wasser trinken, "die Gelegenheit nutzen, da komme ich nicht so oft zu", dann schnell los nach München, die Fraktionssitzung drängt.

Welche Position strebt sie langfristig an und wie soll es weitergehen mit der Karriere? Solche Fragen mag sie nicht so recht. Sie sei froh mit dem Job, den sie gerade habe, da könne sie viel bewegen. Und sowieso sei eine politische Karriere nicht planbar: "Je mehr man es versucht, desto weniger klappt es", weiß sie. Der Chauffeur beschleunigt auf fast 200 Stundenkilometer, und Melanie Huml wird sanft in die Rückbank des Audi gedrückt, zwischen die blauen Terminmappen, die Akten und die Stapel von Zeitungsartikeln, die sie noch lesen will.

Eben noch, auf der Kinderschutzkonferenz, hat eine Dame aus dem Publikum sie vor Aufregung mit "Frau Staatsministerin" angesprochen und leises Raunen für den Versprecher geerntet. Die Miene der 32-jährige Staatssekretärin, die sonst so gerne lacht, blieb regungslos. Nein, ganz so weit ist Melanie Huml dann doch noch nicht. Aber sie hat ja noch Zeit.

© SZ vom 21.7.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: