Drei Worte, leicht hingeworfen in Schreibschrift, grell auf pinkem Untergrund. Search and Destroy. Der Schweizer Künstler Lori Hersberger hat diese Neon-Installation im Jahr 2003 geschaffen, und sie hängt, dreieinhalb Meter breit, in einer prachtvollen Jugendstilvilla in Zürich, die sinnigerweise eine Unternehmensberatung beherbergt.
Bevor Hersberger zur bildenden Kunst fand, war er vor allem Rockmusiker. Search and Destroy, Suchen und Zerstören, gilt als Leitmotiv der "Stooges" aus der Urzeit des Punk. Die Band widmete diesem Ausspruch einen Songtitel, der zum Motto für die Punk-typische Destruktionslust wurde.
Bei Herberger gewinnen die drei Worte neue Interpretationsmöglichkeiten. Der Betrachter kann ihnen eine eigene Bedeutung zuweisen. Das Suchen wird zur kreativen und produktiven Kraft, der Aufruf zur Zerstörung setzt sich über bestehende Verhältnisse hinweg, zwingt zur Evolution.
Suche nach den Ursachen
Search and Destroy könnte das Motto zur Bewältigung der aktuellen Wirtschaftskrise sein. Suche die Ursachen, ändere die Strukturen und schaffe eine bessere Welt. Wissenschaftlich weist uns Joseph Schumpeter diesen Weg - mit seiner vielzitierten Phrase von der "schöpferischen Zerstörung".
Der österreichische Sozialwissenschaftler, der sein Bild von der Wirtschaft als Finanzminister, Banker und Bankrotteur entwickelt hatte, passt mit seinem Gedankengut haargenau in die aktuelle Debatte über den Kapitalismus, die Krise und die Zukunft.
Der Kapitalismus, so schrieb es Schumpeter 1942 an der Elite-Universität Harvard auf, unterliege dem permanenten Prozess einer industriellen Mutation, der die Wirtschaft immer wieder von innen heraus revolutioniere, "unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft". Das also könnte die gute Nachricht sein, dass nach aller Erfahrung die Marktwirtschaft zum Wohle der Menschen auch diese Krise überleben und aus ihr womöglich sogar gestärkt hervorgehen wird.
Es geht um Menschen
Dabei geht es nicht nur um Strukturen, um Kreditgeschäfte und Risiko, um Verantwortung und Regulierung. Es geht, wie immer in der Wirtschaft, vor allem um Menschen. Wenn sich die Führungskräfte nicht ebenfalls um Erneuerung bemühen, wenn sie ihr Denken und Handeln nicht auf den Prüfstand stellen und sich bei Bedarf eben auch neu erfinden, dann kommt die nächste Krise womöglich schneller als viele erwarten.
Besser wäre es, die nächste Krise ließe lange auf sich warten. Denn die wirtschaftspolitische Lage in der Welt, und ganz konkret in Deutschland, ist heikel. Schon unter normalen Umständen ist die in die Jahre gekommene Wirtschaftswunder-Nation nicht wirklich gerüstet für eine ausgereifte Globalisierung. Der Stolz der deutschen Wirtschaft, die Exportindustrie, gerät mehr und mehr unter Druck.
Märkte brechen weg, neue Technologien entstehen anderswo, frische Wettbewerber treten auf den Plan. Wenn aber die Wirtschaft an Kraft verliert, lässt sich das soziale Niveau nicht halten. Die Sozialversicherungssysteme geraten dann erneut in die Diskussion.
Einzig die Rentenversicherung ist einigermaßen krisenfest organisiert. In der Gesundheitspolitik wird pausenlos reformiert, und das Ergebnis lautet: Alles wird teurer, nichts wird besser, aber dafür vieles komplizierter. Der Arbeitsmarkt ist unflexibel, das Bildungssystem veraltet.
Durch die Finanzkrise wird alles noch komplizierter. Die höhere Arbeitslosigkeit wird die Kosten der Sozialsysteme explodieren lassen, die zu erwartende Geldentwertung trifft die Empfänger von Sozialleistungen. Die riesige Verschuldung engt die Spielräume des Staates ein. Völlig offen sind die Auswirkungen, wenn die Rezession in eine Deflation und später eine Inflation übergehen würde.
Es gibt also genügend Gründe, die Zukunft neu zu denken. Ein Weiter-so darf es nicht geben, die alten Rezepte taugen nicht. Die heutige Managergeneration allerdings zeigt wenig Bereitschaft, sich neu zu erfinden, grundsätzlich zu denken. Die Manager verstecken sich hinter ihren Zahlen und kürzen und schneiden nach alten Mustern, wo es geht.
Die Hoffnung liegt deshalb auf einer neuen Generation, die gerade an den Universitäten ausgebildet wird. Wir nennen sie die Generation-D. Dabei geht es um die Betriebswirte, die später in Unternehmen Verantwortung tragen. Aber auch um Sozialwissenschaftler. Um Juristen.
Verantwortung für Mensch und Gesellschaft
Um Pädagogen, die sich um die Bildung von morgen bemühen. Diese und andere Absolventen müssen frühzeitig lernen, Verantwortung zu empfinden und sich für Mensch und Gesellschaft zu interessieren. Eigennutz und Gewinnstreben seien ihnen gegönnt, aber die dürfen nicht alleiniger Antrieb sein.
Potentiale in diesem Sinne gibt es in den Universitäten, aber sie werden zu wenig genutzt. Der alte Geist des Studium generale wird kaum noch gelebt. Früher konnte sich auch ein Betriebswirt der Kunstgeschichte widmen, oder ein Jurist sich mit Fragen eines weichen Völkerrechts beschäftigen.
Heute ist die Welt dafür zu schnell geworden. Wer sich aber einzig dem Fachstudium ergibt, setzt sich Scheuklappen auf, die er nie wieder ablegen wird. Wehe dem Unternehmen, auf das er einmal losgelassen wird.
Wenig visionäres Denken
Der Münchner Politikwissenschaftler Dieter Frey klagt, dass der intellektuelle Diskurs in Deutschland vernachlässigt werde. "Viele Wissenschaftler denken zu wenig visionär und bemühen sich auch nicht, ihre Studenten dazu anzuregen", sagt Frey, der auch akademischer Leiter der Bayerischen Eliteakademie ist.
An ihr haben die Besten ihres Fachs die Chance, sich interdisziplinär weiterzuentwickeln. Die Eliteakademie ist, ebenso wie die Süddeutsche Zeitung, Träger des Wettbewerbs "Generation D", mit dem junge Menschen motiviert werden sollen, Reformen im Kleinen zu denken.
Was an den Universitäten versäumt wird, wiederholt sich nach Freys Beobachtung in den Unternehmen. "Das ist bedauerlich, weil die jungen Menschen sich rasch anpassen. Wenn sie merken, dass ihre Karriere schneller vorangeht, wenn sie die vorgegebenen Denkmuster nicht in Frage stellen, dann halten sie sich daran. Sie hören auf, neue Ideen zu entwickeln, das ganze kreative Potential geht verloren."
Es ist aber nicht die große Politik, die die Veränderungen anstoßen wird, nicht in einer Gesellschaft, in der immer weniger Menschen von ihrer eigenen Arbeit leben und die Transferempfänger auf dem Weg sind, zur Mehrheit zu werden. Die Veränderungen müssen von unten kommen. Eben aus den Universitäten.