Ich bin selbst ein Spieler. Das fühlte ich in diesem Augenblick. Meine Hände und Beine zitterten, in meinem Gehirn hämmerte es." (Der Spieler, Fjodor M. Dostojewski)
Er habe Dostojewskis Roman über die selbstzerstörerische Spielsucht des Alexej Iwanowitsch als Jugendlicher verschlungen, hat Florian Homm einmal gesagt. Das Werk fasziniere ihn noch heute, bekannte der Mann, der wohl Deutschlands berühmtester Hedge-Fonds-Manager ist. Oder war. Man weiß das nicht genau. Denn an einem Dienstag im September 2007 ist Homm verschwunden. Es war vorerst das letzte Kapitel in seinem persönlichen Drama. Bis heute ist der 48-Jährige nicht wieder aufgetaucht.
15 Jahre lang hat Homm mal auf steigende, mal auf fallende Aktien spekuliert. Mal vervielfachte er seinen Einsatz, dann wieder verspielte er sein Geld und das seiner Kunden. Eines aber blieb immer gleich: Seit Homm 1993 die Bühne betrat und mit dem Amerikaner Kevin Devine die Firma VMR gründete, irritierte er die Finanzwelt. "Florian Homm wird von keinem Hedge-Fonds-Investor mehr ernst genommen", sagt ein Dachfonds-Manager heute. Und das kam so.
"Es ist offensichtlich, dass ich eine andere Investment- und Managementphilosophie teile als das aktuelle und das frühere Management von ACMH. Deshalb habe ich entschieden, dass es Zeit für mich ist, die Firma zu verlassen, die ich gegründet habe." So begründete Homm in einem Brief an Aktionäre und Investoren der Hedge-Fonds-Firma Absolute Capital Management Holding (ACMH) seinen Ausstieg. Drei Jahre zuvor hatte er ACMH mit dem Iren Sean Ewing auf Mallorca - wo er bis zu seinem Verschwinden lebte - gegründet, zu einer Investmentfirma mit mehr als drei Milliarden Euro Vermögen ausgebaut und an die Börse gebracht.
Es war vielleicht die beste Zeit in seiner Karriere. "ACMH war für ihn ein Lichtblick. Dort wurde er eingebunden in feste Strukturen und ferngehalten von dem etwas halbseidenen Milieu, in dem er sich oft bewegte", sagt ein Vertrauter Homms. Doch der Spieler Homm ließ sich nicht in Strukturen binden, und heute ist klar, dass sie bei ACMH gar nicht so genau wussten, was ihr Gründer, Großaktionär und Chefinvestor so trieb. Einen Großteil der Kundengelder hatte Homm, anders als in den Fondsprospekten beschrieben, in amerikanische Mini-Aktien investiert, die oft nur außerhalb der Börse gehandelt wurden.
Der amerikanische Investor Jack Grynberg hat Homm deshalb Anfang des Jahres vor einem Bezirksgericht in Colorado verklagt. Grynberg wirft Homm auch vor, sich über die von ihm gehaltene Broker-Firma Hunter World Markets an Aktiengeschäften für ACMH bereichert zu haben.
Solange die Fonds Gewinne abwarfen, hinterfragte niemand genau, was Homm tat. Doch als im Sommer 2007 in den USA die Kreditkrise ausbrach, kamen an den Börsen als erstes kleine und schwer handelbare Aktien unter Druck. Wenige Tage nach Homms Abschied war die ACMH-Aktie um mehr als 90 Prozent abgestürzt, Fondsanleger zogen panisch ihr Geld ab.
Was trieb Homm dazu, abzuspringen und auch einen Teil seines eigenen Vermögens zu vernichten? "Es war eine Kurzschlusshandlung", sagt ein Vertrauter. Es könne nicht sein, dass er die Folgen seines Ausstiegs unterschätzt habe. Denn im November 2006 war der ACMH-Kurs schon einmal abgestürzt, weil Anleger Homms Abschied vermuteten. Damals fürchteten sie um sein Leben. In Venezuela wurde Homm auf dem Weg vom Flughafen nach Caracas bei einem Raubüberfall lebensgefährlich verletzt. Bald darauf arbeitete er wieder.
Leute, die ihm wohlgesonnen sind, erklären seinen plötzlichen Abgang ein Jahr später auch mit dem Drama von Caracas. Bald darauf verließ ihn seine Frau Sarah, die Schwester seines früheren Geschäftspartners Kevin Devine, und nahm die gemeinsamen Kinder mit zu ihren Eltern in die USA, wie es heißt. All das habe Homm tief getroffen, mit der zerrüteten Ehe habe er nicht umgehen können.
Dass Homm ein emotionaler Mensch ist, sehen auch seine Feinde so. Aufbrausend, bisweilen vulgär sei sein Auftreten. Sein Abgang bei ACMH habe aber eher damit zu tun, dass seine riskante und missglückte Anlagestrategie aufgeflogen sei. War Homm ein Spieler? "Er hat nicht aus Geldgier spekuliert, sondern weil er diese Bestätigung braucht, die der Spieler immer wieder braucht, wenn er einmal gewonnen hat", sagt ein Vertrauter. Sein Wagemut habe etwas ewig kindliches, mal agiere er berechnend, dann wieder ungehemmt. So beschreibt auch Dostojewski seinen Spieler.
Dabei begann Homms Karriere mustergültig. Das College in Harvard schließt der Sohn eines Installateurs aus Oberursel 1982 "cum laude" ab. Er beginnt mit 23 bei der Investmentbank Merrill Lynch. Später macht er in Harvard seinen Master-Abschluss, arbeitet für renommierte Firmen wie Fidelity, Julius Bär und Tweedy Browne. 1993 gründet er VMR - und beginnt sein umstrittenes Werk als Hedge-Fonds-Manager.
"Nur eines möchte ich noch hinzufügen: Dass es mich in der ganzen letzten Zeit eigentümlich angewidert hat, meine Gedanken und Handlungsweisen gleichviel mit welch einem moralischen Maßstäbchen zu messen. Etwas ganz anderes beherrschte mich." (Der Spieler: Fjodor M. Dostojewski)
Auch VMR verließ Homm 2002 Knall auf Fall. Am Neuen Markt hatte er lange erfolgreich ein großes Rad gedreht, nach dessen Kollaps ließ er zornige Anleger zurück. Überall eckt er an. Ein Selbstdarsteller in einer Branche, die sonst zur Verschwiegenheit neigt. Mal beschimpfte er "inkompetente Regulierer", mal lästerte er über die Vorurteile gegen Hedge-Fonds. "Nicht wir zerstören Unternehmen, sie zerstören sich selbst", sagte Homm einmal. Verantwortlich machte er dafür das Industrie-Establishment. "Das idiotische Management der Deutschland AG hat die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen geschmälert."
Homm sah sich als Aufräumer, attackierte Firmen wie MLP, Sixt und WCM, und es schien ihn nicht zu stören, wenn er als "Zerleger von Mallorca" bezeichnet wurde. Sein Konflikt mit dem Establishment spiegelt sich in der eigenen Familie. Sein Onkel Johannes Neckermann, Sohn des Versandhaus-Königs Josef, sagte der Nachrichtenagentur Bloomberg: "Die Ethik der Familie Neckermann unterscheidet sich so von Florian Homms Tun, dass es beschämend wäre, seinen Namen in einem Atemzug mit dem meines Vaters zu nennen."
Flop mit Borussia Dortmund
Jemand, der ihm wohlgesonnener ist, meint, Homm habe bei aller Raubeinigkeit gesellschaftliche Anerkennung gesucht. Doch dabei überschritt er Grenzen. 2005 verurteilte ihn ein Gericht, weil er einen negativen Analystenbericht über die Beteiligungsfirma WCM geschrieben hatte - ohne offenzulegen, dass er auf einen fallenden Kurs gewettet hatte. Homm schien positive wie negative Publicity zu genießen. Als er bei dem Fußballverein Borussia Dortmund einstieg, feierte ihn der Boulevard als Retter, das Investment aber war ein Flop.
Beim BVB hat Homm sich wie aus den meisten deutschen Aktien zurückgezogen, und erneut riss er mit seinem Abgang den Kurs noch weiter nach unten. Wo er jetzt ist, scheint niemand zu wissen. Manch einer aber glaubt, dass er wieder kommt. Dass es ihn immer wieder zurücktreibt zum Casino, wie Dostojewskis Spieler, der wider besseres Wissen zum Schluss ausruft: "Morgen, morgen wird alles ein Ende haben!"