Suizid von Renault-Mitarbeitern:Tod im Teich

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Renault galt einst als einer der sozialsten Arbeitgeber Frankreichs. Nun werfen drei Selbstmorde ein schlechtes Licht auf die neue Unternehmenspolitik.

Michael Kläsgen

Bevor sich Raymond D., 38, in seiner Wohnung erhängte, klebte er einen Brief an den Computer-Bildschirm in seinem Büro. Darin resümiert er das letzte Gespräch mit seinem Vorgesetzten.

Glänzende Aussichten bei Renault? Der Schein trügt, soll doch Mobbing am Arbeitsplatz ein Grund für den Suizid von drei Renault-Mitarbeitern gewesen sein. (Foto: Foto: AP)

Es ist eine Klageschrift gegen die Arbeitsbedingungen bei Renault. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun. Sie will nicht die Umstände des Todes klären. Dass es sich um Selbstmord handelt, steht außer Zweifel.

Die Ermittler untersuchen, ob Raymond D., vereinfacht ausgedrückt, gemobbt wurde und ihn Psychoterror am Arbeitsplatz in den Freitod trieb. Wie ein Gewerkschafter berichtet, dürfen Mitarbeiter neuerdings bei Renault ihre Kollegen anschwärzen, damit die Arbeitsleistung gesteigert wird.

Suizid Nummer drei

Raymond D., Vater eines fünfjährigen Sohns, ist der dritte Mitarbeiter des Technikzentrums von Renault bei Paris, der sich innerhalb von vier Monaten das Leben nahm.

Einer von ihnen war aus dem fünften Stock des Bürogebäudes gesprungen. Der andere hatte sich im künstlich angelegten Teich auf dem Firmengelände ertränkt. Für beide hatten die Gewerkschaften vor drei Wochen einen Schweigemarsch auf dem Gelände veranstaltet. Inzwischen erschüttert die mysteriöse Selbstmordserie ganz Frankreich.

Die drei waren Mitarbeiter eines Teams, das für den strauchelnden Autohersteller in kürzester Zeit 26 neue Modelle entwerfen soll. "Der Erfolg hängt nur von den Modellen ab", hatte der neue Renault-Chef Carlos Ghosn den Designern Anfang Februar eingebläut. Raymond D. hatte die Aufgabe, das neue Oberklasse-Modell Laguna mitzuentwickeln, das dem VW Passat oder der Mercedes-C-Klasse Paroli bieten soll.

Druck durch "Drei-Jahres-Plan"

Für die Gewerkschaften steht der Schuldige fest: Es ist der Drei-Jahres-Plan von Ghosn, der für Psychostress bei Renault sorge. Die Fristen würden kürzer, die Ansprüche höher und die Arbeitsvolumen größer. "Die Mitarbeiter ertragen den Druck nicht mehr", sagt Vincent Neveu von der CGT. "Manche kommen morgens zur Arbeit, setzen sich auf ihren Stuhl und reden den ganzen Tag kein Wort", berichtet ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will.

Die Unternehmensleitung warnt vor übereilten Schlüssen. "Da kommt Privates und Berufliches zusammen", sagt Personalchef Jean-Charles Rebours. "Für Selbstmord gibt es nie nur einen Grund." Konsternation herrscht trotzdem an der Konzernspitze.

Früher galt Renault als einer der sozialsten Arbeitgeber Frankreichs. Jetzt richtet der Autobauer einen Stab von Seelsorgern im Technikzentrum ein. Ein Gewerkschafter berichtet, er habe viele Anrufe von Ehefrauen erhalten, die befürchten, auch ihr Mann könnte "Dummheiten" machen.

© SZ vom 23.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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