Südkorea:Ermittlungen gegen den Bulldozer

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Dem ehemaligen Präsidenten Südkoreas, Lee Myung-bak, droht ein Prozess. Ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Als er noch Politiker war, nannte man ihn "Bulldozer". Dagegen hatte Lee Myung-bak nichts, der heute 76-jährige frühere Präsident Südkoreas gefiel sich als Macher. Als Bürgermeister von Seoul ließ er einst ganze Viertel der Hauptstadt schleifen, als Staatschef große Flüsse umleiten. Nun wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, er habe Schmiergeld kassiert. Samsung und andere Konzerne sollen ihm Geld zugeschoben haben, außerdem habe er sich aus einer Kasse des Geheimdiensts 11 Milliarden Won, umgerechnet 8,4 Millionen Euro, geben lassen. Am Mittwoch wurde er verhört, die Staatsanwaltschaft bereitet 20 Anklagepunkte vor, einige reichen vor seine Präsidentschaft zurück.

Lee selbst hält sich für unschuldig, er sei das Opfer eines politischen Rachefeldzug. Das behauptet auch seine Nachfolgerin, die geschasste Präsidentin Park Guen-hye, die zur Zeit auf ihr Urteil wartet.

Die Südkoreaner überrascht diese Entwicklung kaum. Einerseits waren alle bisherigen Präsidenten zumindest indirekt in Korruption involviert. Einige stahlen viele Milliarden aus der Staatskasse. Andererseits hatte Lee, der es in seinem ersten Job beim Baukonzern des Hyundai-Konglomerats in elf Jahren vom kleinen Angestellten zum Boss geschafft hatte, schon bevor er Präsident wurde, den Ruf, ein Trickser zu sein. Nach seinem Wechsel in die Politik kandidierte er 1998 für das Bürgermeisteramt von Seoul. Er verlor die Wahl - und bald danach auch sein Wahlrecht, weil er gegen das Wahlgesetz verstoßen hatte. Nachdem er eine Begnadigung erwirkt hatte, schaffte er die Wahl 2002 doch noch. 2007 wählten ihn die Koreaner zu ihrem Präsidenten. Zuvor soll er bei einem Aktienbetrug mitgemacht haben. Sein damaliger Partner wurde deswegen verurteilt. Gegen Lee, inzwischen eine Schlüsselfigur der konservativen Partei, fand die Staatsanwaltschaft damals angeblich nichts. Der Aktienbetrug wurde auch in den USA gerichtlich aufgerollt, dort soll Samsung Lees Anwaltskosten übernommen haben. Während er Präsident war, soll sein Bruders für ihn schwarze Kassen unterhalten haben.

Die Staatsanwaltschaft hat am Mittwoch nicht nur Lee einbestellt, sondern auch die Medien. Der Bulldozer, der nun eher zerbrechlich wirkt, musste durch ein Spalier von Kameras. Cho Mi-ae, eine Abgeordnete der nun regierenden Demokraten, höhnte, allein die Zahl der Taten, die ihm vorgeworfen werde, könnte ihn ins Guiness-Buch der Rekorde bringen. Manche Koreaner empfinden durchaus Häme, wenn sie sehen, wie die alte Macht-Elite vorgeführt wird.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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