Südkorea:Demütigungen, Steuer­hinter­ziehung, Wutattacken

Lesezeit: 4 min

Sie soll Angestellte mit einer Gartenschere geschlagen haben: Lee Myung-hee, die Frau des Patriachen. (Foto: Lee Jin-man/AP)

Die südkoreanische Unternehmerfamilie Cho fällt immer wieder unangenehm auf. Wie kann das sein?

Von Christoph Neidhart, Tokio

Südkorea ermittelt schon wieder gegen die Cho-Familie. Die Billig-Airline Jin Air, die ihr gehört, soll Steuern hinterzogen haben. Chefin der Fluggesellschaft ist Cho Hyun-min, die schon im alten Job unangenehm auffiel: Sie war Marketing-Chefin von Korean Air und schmiss einem Werber Wasser ins Gesicht, weil sie mit seiner Arbeit nicht zufrieden war. Ein Strafverfahren läuft. Cho Hyun-min ist eine Tochter von Cho Yang-ho, dem Patriarchen des Hanjin-Konzerns, dem Korean Air gehört. Und sie ist nicht das einzige Familienmitglied mit Rechtsproblemen.

Weltberühmt ist die Cho-Familie mit dem Nüsschenskandal geworden. Im Dezember 2014 rastete Hyun-mins ältere Schwester Cho Hyun-ha an Bord eines Jumbo-Jets auf dem New Yorker Kennedy-Flughafen aus. Ein Flugbegleiter hatte ihr in der ersten Klasse Nüsschen in einer Plastiktüte statt in einem Holzschälchen serviert. Sie schrie, schlug den Mann und beorderte die Boeing 747 von der Startbahn ans Gate zurück. Dort ließ sie ihn von Bord werfen. Dafür saß sie ein halbes Jahr im Gefängnis.

Lee Myung-hee, die Mutter der beiden launischen Schwestern, entging im Juni nur knapp der Untersuchungshaft. Nach 13 Stunden Verhör wollte der Staatsanwalt sie verhaften lassen. Doch der Richter hatte ein Nachsehen, die 69-Jährige darf nur das Land nicht verlassen. Sie leitete die Kulturorganisation von Hanjin und benahm sich noch diktatorischer als ihr Mann. Sie soll sie Angestellte gequält und geschlagen haben, auch mit einer Gartenschere. Privat habe sie Philippinas beschäftigt, die sie illegal ins Land holen ließ. In einem weiteren Verfahren stellte der Zoll bei einer Hausdurchsuchung 2,5 Tonnen Luxusgüter sicher, die die ganze Familie als angebliche Flugzeug-Ersatzteile nach Korea geschmuggelt haben soll. Patriarch Cho Yang-ho sollte bereits 2002 ins Gefängnis. Wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung war er zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Es gelang ihm jedoch, sich dem Strafvollzug zu entziehen. Derzeit laufen mehrere neue Verfahren gegen ihn, einerseits soll er Firmenangestellte privat für sich arbeiten lassen haben, andrerseits gegen Finanzmarktgesetze verstoßen haben. Der einzige dieser netten Familie, der bisher unbescholten schien, ist der 43-jährige Sohn Cho Won-tae, der die Fluglinie seit anderthalb Jahren führt. Doch auch gegen ihn wird ermittelt. Vor mehr als 20 Jahren soll er einen Studienplatz an einer Uni ergattert haben, obwohl seine Noten ihn dazu nicht berechtigten. Kein Wunder: Die private Uni gehört Hanjin.

Der Konzern ist einer der größten Chaebol, so nennt man Südkoreas Konzerne, die von Familien beherrscht werden. Bekannt sind sie für ihren Machtmissbrauch. Als Won-tae seinen Studienplatz zu unrecht erhielt, erlaubten sich die Chaebol-Familien noch fast alles. Wenn sie es zu dreist trieben, eilte ihnen die Politik zu Hilfe. Wie Cho waren einst auch Samsung-Chef Lee Kun-hee und Hyundai-Boss Chung Mong-koo wegen Finanz- und Steuerbetrugs zu je drei Jahren verurteilt worden. Im Gefängnis saßen sie nie. Dazu half ihnen nicht nur ihre Verfilzung mit der Macht. Bis heute kontrollieren die Chaebol, denen Südkorea seinen Aufstieg verdankt, mehr als die Hälfte der Wirtschaft, vor allem die Exporte. Deshalb scheute sich die Politik, sie zu konfrontieren.

Als Park Chung-hee, ein Generalmajor, sich 1961 an die Macht putschte, war Südkorea eines der ärmsten Länder. Der Vater der 2016 geschassten Präsidentin mobilisierte kleine Familienunternehmer, um mit ihnen die Wirtschaft zu sanieren. Er machte Südkorea makroökonomisch zur Kommando-Wirtschaft, an der Basis ließ er den Markt spielen. Park trieb die damals noch jungen Bosse an, in neue Geschäftszweige einzusteigen, zum Beispiel in den Schiffsbau. Dafür garantierte er ihnen den Binnenmarkt, billige Arbeiter und laxe Regeln bei Umwelt- und Arbeitsschutz. Schien ihnen ein Projekt zu gewagt, ließ Park es vom Staat es selber starten, so 1962 Korean Air. 1969 überließ er die Fluglinie dann Chos Hanjin-Gruppe. Solange die Wirtschaft wuchs, durften sich die Chaebol-Familien hemmungslos bereichern. Vor allem die dritte Generation dieser Oligarchen benimmt sich wie eine neue Aristokratie. Lange vor dem Nüsschenskandal war Hyun-ah für die Geburt ihrer Söhne nach Hawaii geflogen, um der vierten Hanjin-Generation den Wehrdienst zu ersparen. Während zehn Prozent der jungen Südkoreaner keine Arbeit finden, sitzen die Chaebol-Kinder in Führungsjobs, für die sie überhaupt nicht qualifiziert sind.

Alles begann mit einem LKW. Dann forcierte der Staat den Aufstieg des Konzerns

Doch das beginnt sich zu ändern. Der vom Volk erzwungene Sturz der Präsidentin Park Geun-hye, die das Land behandelt hatte, als wäre es ihr Feudalbesitz, ließ die Dämme der Empörung brechen. Papa Cho, der im Nebenamt die Organisation der Olympischen Winterspiele 2018 leitete, war ebenfalls in Parks Affären verwickelt. Mit ihrem Sturz musste auch er seine Olympia-Ämter aufgeben. Im Mai gingen Flugbegleiter und Piloten von Korean Air auf die Straße, um für die Entmachtung der Chos zu demonstrieren.

Die Anfänge von Hanjin gehen auf das Kriegsende 1945 zurück, sie sind beispielhaft für das Entstehen der Chaebol. In der Hafenstadt Incheon westlich von Seoul besaß der 25-jährige Cho Joong-hoon, der Großvater der aufbrausenden Schwestern, einen einzigen LKW. Damit begann er, Transporte für die US-Besatzer zu machen. 1947 besaß er bereits zehn LKW. Mit dem Koreakrieg ging es für ihn erst recht aufwärts, seine Fuhrhalterei transportierte Waffen und Munition für Amerikaner.

Der alte Cho leitete Korean Air dreißig Jahre lang selber. 1999 überließ er sie seinem ältesten Sohn Yang-ho. Dem zweiten, Cho Nam-ho, vermachte er Hanjin-Heavy, die Schiffswerft, dazu die Baufirma; dem dritten, Cho Soo-ho, Hanjin Shipping, eines der größten Speditionsunternehmen der Welt. Der Jüngste, Cho Jung-ho, erhielt Hanjins Bank- und Versicherungsgeschäfte. Gleichwohl kam es nach dem Tod des alten Cho 2002 zum Streit. Die drei Jüngeren wollten auch ein Stück von Korean Air, Jung-ho sagte der Presse, er hasse seinen älteren Bruder. Ironischerweise ist er nun der reichste von allen. Der zweite verträgt sich wieder mit dem Ältesten. Der dritte starb 2006 an Lungenkrebs. Seine Witwe übernahm Hanjin Shipping. Sie führte das einst stolze Unternhemen in die Pleite. Es wurde voriges Jahr liquidiert.

Nach dem Nüsschenskandal entschuldigte sich Cho Yang-ho, er habe seine Töchter verzogen. Er warf Hyun-ah mit Getöse aus dem Konzern, reinstallierte sie aber später als Chefin der Korean-Air-Hotelkette. Wegen der Schmuggelaffäre hat er sie zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Hyun-min nun erneut entlassen. Aber kaum war der Lärm verebbt, versuchte er, die Jüngere in den Chefsessel von Jin Air zu heben.

© SZ vom 22.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: