Streit um höhere Löhne:Die Zeit des Jammerns ist vorbei

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Mehr Geld wird es 2007 vor allem dort geben, wo die Geschäftslage gut ist - und die Gewerkschaften stark sind.

Detlef Esslinger

Das Gefecht steht bevor, und die Beteiligten bringen sich in Stellung. Sie haben ihre halbautomatischen Schnellformuliersysteme aus dem Schrank geholt und feuern daraus die üblichen Sätze ab: Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, ,,warnt'' vor ,,zu hohen Erwartungen'' in der kommenden Tarifrunde. IG-Metall-Chef Jürgen Peters hingegen sagt, lange genug hätten die Arbeitnehmer ,,den Gürtel enger geschnallt''.

So ist es immer: ,,Lohnzurückhaltung'' verlangen die einen, um den Aufschwung nicht ,,kaputtzumachen''. Lohnsteigerungen fordern die anderen, denn höhere Löhne könnten die Nachfrage steigern und damit die Konjunktur stützen.

Für die Arbeitgeber wird es schwieriger werden

Es sind Sätze, die man inhaltlich nicht so ernst nehmen muss. Alle Zitatgeber wissen, dass sie mit Halbwahrheiten hantieren und dass Löhne beides sind: Kosten und Kaufkraft. Es geht derzeit mehr darum, sich vor der jeweils eigenen Klientel in Stellung zu bringen, bevor dann in wenigen Wochen die Auseinandersetzungen beginnen, zunächst in der Chemie- und dann in der Metallindustrie.

Einen Unterschied zu Tarifrunden der vergangenen Jahre hingegen wird es geben: In manchen Branchen dürfte es für die Arbeitgeber sehr viel schwieriger als früher werden, hohe Lohnforderungen der Gewerkschaften abzuwehren - nämlich dort, wo ihre Gewinne gut sind und der Organisationsgrad der Gewerkschaften hoch ist. Lohnabschlüsse entstehen aus der Kombination von Geschäftslage und Machtverteilung.

In der Chemie- und Metallindustrie haben die Unternehmer längst das Jammern aufgegeben: Der Verband der Chemie-Industrie präsentierte vor vier Wochen beeindruckende Steigerungen von Produktion und Umsatz; insgesamt lagen die Ergebnisse über den ohnehin schon optimistischen Schätzungen.

In den Chemie-Großbetrieben ist die Gewerkschaft IGBCE nach wie vor gut vertreten - anders als zum Beispiel Verdi in der Transport- und Logistikbranche. Diese boomt ebenfalls, im Jahr 2007 werden dort 39000 neue Jobs erwartet. Aber in dieser Branche, die vorwiegend aus Sub- und Kleinunternehmen besteht, verfügen Arbeitnehmer und ihre Vertreter kaum über Verhandlungsmacht. Für Paketfahrer zum Beispiel werden Löhne die Regel bleiben, die an Ausbeutung grenzen.

Was also wird an Lohnabschluss dort herauskommen, wo die Gewerkschaften auf Augenhöhe verhandeln können? Im alten Jahr hat die IG Metall fünf Prozent gefordert und drei Prozent bekommen. ,,Im neuen Jahr muss ein höheres Ergebnis her'', sagt ihr Bezirks-Chef aus Nordrhein-Westfalen und beschreibt damit Möglichkeiten wie Grenzen.

Die Forderung wird zwischen sechs und acht Prozent liegen; die Unternehmer hingegen werden vielleicht zwei Prozent bieten, plus eine mickrige Einmalzahlung. Die wird am Ende etwas höher ausfallen, die Prozentzahl aber niedriger als von der Gewerkschaft verlangt. Und beide Seiten werden ihren Sieg verkünden.

© SZ vom 03.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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