Streit um die Behörde:Dem Europäischen Patentamt droht Entmachtung

Lesezeit: 2 min

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" treiben mehrere Länder eine tief greifende Reform des Europäischen Patentamtes voran. Ziel der Initiative: Die Behörde soll Aufgaben an nationale Ämter abgeben.

Markus Balser

Während EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy in Brüssel die Harmonisierung des Patentrechts vorantreibt, droht dem EPA, dem Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation (EPO), eine entscheidende Schwächung: Unter der Führung von Finnland, Österreich, Schweden, Ungarn, Dänemark und Spanien forcieren mehrere EPO-Mitglieder ein brisantes Reformvorhaben.

Europäisches Patentamt in München (Foto: Foto: AP)

Wie aus internen Protokollen des Verwaltungsrates des Europäischen Patentamtes und aus Strategiepapieren von Länderdelegationen hervorgeht, fordern sie die Rückverlagerung von Aufgaben an nationale Patentämter.

Damit könnte das zentralisierte System in seine nationalen Bestandteile zerfallen. Im Europäischen Patentamt selbst löst die bislang hinter verschlossenen Türen ausgetragene Diskussion heftigen Wirbel aus.

Mitverdienen an den Einnahmen

"Wenn sich die Nationalisierer durchsetzen, droht eine Entmachtung bis hin zum Ende des Europäischen Patentamtes in seiner jetzigen Form", warnt eine Führungskraft. "Das Patentwesen würde in die Zeiten der Kleinstaaterei zurückfallen. Dem Gedanken der Vereinfachung widerspricht das entschieden."

Um die Zukunft des Europäischen Patentamtes sei im EPA-Verwaltungsrat eine Strategiedebatte entbrannt, bestätigt dessen Präsident, Roland Grossenbacher, der SZ.

Längst geht es dabei nicht mehr um eine Minderheit von Aufrührern. Die Hälfte der 31 Delegationen von Mitgliedsstaaten der Europäischen Patentorganisation strebten eine gewichtigere Rolle ihrer nationalen Behörden an, so Grossenbacher, der auch Chef des Schweizer Patentamtes ist.

Bereits im Dezember bekam die Amtsführung per Mehrheitsbeschluss auf einer dramatischen Verwaltungsratssitzung den Auftrag zu prüfen, wie eine Verlagerung von Arbeiten an nationale Patentämter realisiert werden könne - und muss seither die eigene Demontage ausloten.

Begleitet von Protesten der Beschäftigten, konnten sich die zerstrittenen Lager auf einer außerordentlichen Sitzung im März jedoch nicht auf eine Linie einigen. Nun wird die Zukunft der europäischen Patentbehörde Thema der nächsten Sitzung im Juni sein.

Die Bundesregierung missbilligt den Vorstoß. "Deutschland gehört zu den Staaten, die das Kerngeschäft der Patentprüfung und -erteilung vollumfänglich beim EPA belassen wollen. Dafür sprechen sowohl rechtliche, als auch wirschafts- und forschungspolitische Erwägungen", heißt es in einer Stellungnahme der Regierung.

Sie trage mit dieser Position auch den Befürchtungen der europäischen Wirtschaft Rechnung, dass eine Dezentralisierung zu Qualitätseinbußen für die Patentanmelder führen könnte. Europa brauche im internationalen Wettbewerb eine starke zentrale Patentinstanz.

Unterstützt wird diese Haltung unter anderem von Frankreich, Italien und Belgien. Die Bundesregierung will sich im Verwaltungsrat nun "mit allem Nachdruck für den Erhalt des EPA als starke europäische Zentralinstanz im Patentbereich einsetzen". Nur eine diplomatische Konferenz könne überhaupt über Auslagerungen entscheiden, heißt es aus der italienischen Delegation verärgert.

Ein rasches Ende des Streits ist nicht in Sicht. Zu groß sind nationale Begehrlichkeiten. 2004 nahm das Europäische Patentamt aus der Erteilung von 60.000 Patenten und den Jahresgebühren eine Milliarde Euro ein, Tendenz steigend.

Manche Regierung hätte gerne ein größeres Stück vom Kuchen. Zudem gelten Patentämter als Bestandteil der Technologieförderung. "Alle wollen ihre nationale Expertise aufrecht erhalten", sagt der Chef einer nationalen Behörde. Die große Zahl europäischer Patentanmeldungen sorge jedoch dafür, dass nationale Ämter kaum ausgelastet seien. Aufgaben des EPA kämen da wie gerufen.

"Da drohen große Probleme"

Der Vorstoß könnte in Europa zu einem Wettbewerb um Auslastung und Patentanmeldungen führen, warnen Experten - mit Folgen für die Qualität. Europäische Standards dürften nationalen Zielen nicht geopfert werden, fordert die Patent Documentation Group, ein Zusammenschluss von 39 forschungslastigen Unternehmen, in einem Brandbrief an den Verwaltungsrat.

Auch der europäische Industrieverband Unice, dem der Bundesverband der Deutschen Industrie angehört, teilt die Sorge und warnt vor einem Qualitätsverlust. "Wie sollen winzige nationale Ämter in die Prüfung hochspezialisierter Patente einbezogen werden?", fragt der Leiter einer Ratsdelegation. "Da drohen große Probleme."

Kritiker hinterfragen inzwischen gar, ob Patente bei der Verlagerung wesentlicher Prüfschritte juristisch überhaupt haltbar seien. "Die juristische Machbarkeit ist umstritten", sagt Ratsvorsitzender Grossenbacher.

"Mit dem Beitritt zur EPO haben die Vertragsstaaten Souveränitätsrechte an diese, und nur an diese abgetreten. Deshalb darf jeder von ihnen auch erwarten, dass alle wesentlichen Verfahrensschritte der Patentprüfung vom EPA durchgeführt werden."

© SZ vom 22.04.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: