Streik:"Wie die Großkapitalisten"

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Die Gewerkschaft Verdi bestreikt eine Druckerei, deren Miteigentümerin sie selbst ist. Im August hatten 120 Arbeiter keinen Lohn erhalten.

Detlef Esslinger

Alles ist wie bei einem ganz normalen Streik: Vor dem Werk haben sich Demonstranten versammelt, tragen Plastiksäcke mit der Aufschrift "Warnstreik" überm Leib und hieven Transparente in die Höhe.

Streik bei der Druckerei AMP, deren Miteigentümer die Gewerkschaft Verdi ist. (Foto: Foto: AP)

Was sich an diesem Dienstag bei der Druckerei apm in Darmstadt abspielt, hat man schon an vielen Werkstoren beobachten können: Die Belegschaft protestiert dagegen, dass sie allein bezahlen soll für Fehler des Managements; von "Erpressung" spricht Petra Werkmann, die Betriebsratsvorsitzende von apm.

Zum Streik im eigenen Unternehmen aufgerufen

In Darmstadt aber hat die Gewerkschaft Verdi zum Streik in einer Firma aufgerufen, die im Wesentlichen ihr sowie drei weiteren Gewerkschaften gehört. Die Alpha-Print-Medien-AG (apm) befindet sich zu 88 Prozent im Besitz der Gewerkschaftlichen Beteiligungsgesellschaft (GBG). Diese wiederum wird getragen von der IG Metall, Verdi, IG Bau und der Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet.

Zu den Kunden gehören vor allem die Gewerkschaften selbst, die hier Mitgliederblätter und Flugblätter drucken lassen. Seit Jahren geht es dem Unternehmen schlecht, und in solchen Fällen passiert überall dasselbe, ob die Eigentümer nun Kapitalisten oder Gewerkschafter sind: Den Mitarbeitern wird der Verzicht auf Arbeitszeit, Zulagen, Weihnachts- und Urlaubsgeld abgerungen.

"Die benehmen sich nicht anders als die Großkapitalisten."

Im Fall von apm verzichtete die Belegschaft auf insgesamt fünf Millionen Euro. Im Gegenzug sollten die Eigentümer acht Millionen Euro, zahlbar in mehreren Raten, zuschießen. Transnet überwies die erste, aber nicht die zweite Rate - mit der Folge, dass die Löhne für den August nicht ausgezahlt wurden. Betriebsratschefin Petra Werkmann, Verdi-Mitglied, sagt über Transnet: "Die benehmen sich nicht anders als die Großkapitalisten."

Der reinste Bruderkrieg ist darüber zwischen Verdi und Transnet ausgebrochen. Verdi gibt eine Presse-Erklärung zu früheren Beteuerungen von Transnet heraus, die die Überschrift trägt: "Wenn ein Gewerkschaftsvertreter erzählt, oder: Lügen haben kurze Beine."

Transnet hingegen erklärte vor wenigen Tagen öffentlich, an einer Lösung der apm-Probleme zu arbeiten, "während sich andere offenbar nur mit Schuldzuweisungen auseinander gesetzt haben".

Man wollte sich die zweite Rate sparen

Am Dienstag wollen sich weder Transnet noch der Vorstand der Druckerei öffentlich äußern; dem Vernehmen nach aber ist man bei Transnet nun der Annahme, die Finanzen der Druckerei seien gar nicht so schlecht wie noch vor Wochen angenommen - so dass man sich die zweite Rate vielleicht sparen könne.

Dies ist ein Vorgehen, wie Gewerkschaften es bei Kapitalisten eher selten akzeptieren, erst recht nicht, wenn ein Unternehmen nicht einmal mehr Löhne oder Gehälter zahlen kann. Im Fall des Gewerkschaftsbetriebs apm wurden im August nur die Löhne für die 120 Arbeiter nicht gezahlt.

Nur die Angestellten bekamen ihr Geld

Die 50 Angestellten hingegen bekamen ihr Geld. "Bei apm sind die Gewerkschaften Eigentümer, Kunde und Interessenvertreter", sagt Petra Werkmann vom Betriebsrat. "Das kann nicht funktionieren."

© SZ vom 13.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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