Strategieschwenk:Ford will nicht mehr Ford sein

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SUVs und Pick-ups bescheren dem Autokonzern mehr Gewinn. Deshalb will der Hersteller weniger normale Pkws bauen.

Von Kathrin Werner, Detroit

Es ist etwas mehr als 100 Jahre her, dass Henry Ford das Fließband erfand. Ohne Ford wären Autos vielleicht nie zur Massenware geworden, erschwinglich für fast jedermann. 1913 begann Ford mit dem Probebetrieb des Montagebands für die Produktion des "Modell T" in Detroit. Dieses normale Auto sollte das erste für die Mittelklasse werden, ein Symbol des Aufschwungs, des amerikanischen Traums.

Doch nun kaufen Amerikaner immer weniger dieser "passenger vehicles", also dieser normalen Pkws, die heute Ford Focus heißen. Der neue Trend: große SUVs und Pick-up-Trucks. Im Dezember 2017 machten Pkw nur noch 30 Prozent des US-Marktes aus, im Jahr 2012 waren es noch 50 Prozent. Ford passt sich der neuen Normalität nun an - und hat eine neue Modellpolitik verkündet: Zehn Prozent weniger Pkw will der Konzern bauen und dafür zehn Prozent mehr SUVs, mit denen der Konzern deutlich mehr Gewinn einfährt. Das ganze angereichert mit reichlich Hybridmotoren. Es ist ein Allerlei, wie es auch deutsche Autohersteller eingegangen sind: Mit immer größeren Wagen Geld verdienen und dazu Elektromotoren mischen, denn die braucht es, um die strenger werdenden Abgasanforderungen zu erfüllen. Ford werde schonungslos prüfen, welche Modelle eine Zukunft hätten und welche nicht, heißt es vom Vorstand um Konzernchef Jim Hackett, der beim Amtsantritt jüngst bereits ein milliardenschweres Sparprogramm in Gang brachte: "Wir müssen unsere Modellpalette verkleinern und auf profitable Fahrzeuge trimmen." Für den Konzern, der eigentlich für jeden Wunsch einen Wagen im Angebot hatte, ist es eine radikale Abkehr von den Wurzeln.

Der kleinste der drei traditionellen US-Autohersteller, Fiat Chrysler, hatte diesen Weg schon vor gut einem Jahr eingeschlagen. Konzernchef Sergio Marchionne stellte den Bau des mittelgroßen Chrysler 200 und des kleinen Dodge Dart ein und lässt lieber Jeeps und Pick-ups bauen. "Die Industrie dachte, Sergio sei verrückt, als er das tat", sagte Jeff Schuster vom Marktforscher LMC Automotive der Agentur Bloomberg. "Nun sieht er aus wie ein Genie." General Motors (GM) arbeitet unter Vorstandschefin Mary Barra ähnlich: Sie hat Opel verkauft, weil die kleinen Wagen nur Verluste brachten. Beim Rennen um Größe kann Ford durchaus jetzt schon mithalten. Das Unternehmen, das noch stark von der Gründerfamilie beherrscht wird, macht sein bestes Geschäft mit dem Pritschenwagen F150, seit 41 Jahren der meist-verkaufte Wagen der USA, 10 000 Dollar Gewinn bringt jedes dieser Fahrzeuge. Davon soll es nun noch mehr geben. In der Ankündigung des Strategiewechsels hatte Ford eine weitere Nachricht versteckt: Der Konzern schreibt immer weniger Gewinn.

Der Autokonzern Ford ist vor rund 100 Jahren mit Personenwagen wie dem „Model T“ groß geworden. (Foto: dpa)

Der bereinigte Gewinn je Aktie werde dieses Jahr nur zwischen 1,45 und 1,70 Dollar liegen, vor allem wegen höherer Kosten für Aluminium und Stahl und ungünstiger Wechselkurse der Währungen, in denen der Konzern die Autos produziert und verkauft. 2017 lag der Profit bei 1,78 Dollar. Auch hier hatten Börsenanalysten im Durchschnitt deutlich mehr erwartet. Obwohl Ford die Dividende kräftig erhöhen will, was Anleger eigentlich lieben, brach der Aktienkurs ein.

Vorstandschef Hackett formuliert es so: "Wir sind von der Fitness des Unternehmens her nicht dort, wo wir sein sollten." Dabei hat er kein Problem, offen zu sprechen, denn er ist erst seit sieben Monaten im Amt. Schlechte Margen hatten seinem Vorgänger Mark Fields im Mai den Job gekostet. Der neue hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf: Der 62-Jährige hat kaum Erfahrung in der Autobranche. Er arbeitete viele Jahre lang in der Büromöbelbranche, überlegte etwa, wie sich Großraumbüros angenehm gestalten lassen.

Der neue Ford-Chef Jim Hackett präsentierte bei der Detroit Auto Show einen neuen Pick-up. Er will künftig weniger normale Autos bauen. (Foto: Carlos Osorio/AP)

Das mit dem angenehmen Leben beschäftigt Hackett schon immer noch. Während er kurzfristig auf die schweren Wagen setzt, schwebt ihm mittel- und langfristig offensichtlich anderes vor: Während seiner Präsentation in Detroit rollten hinter ihm auf der Leinwand immer wieder Fahrräder über die Straßen. Vögelgezwitscher kam aus den Lautsprechern. Das ist seine Ideal von der Stadt der Zukunft und der Mobilität der Zukunft. Vor 30 Jahren hätten Amerikaner jährlich im Durchschnitt 16 Stunden im Verkehr verbracht, heute seien es 38 Stunden, klagt er in diesen Tagen: "Den Preis, den wir für die Freiheit der Mobilität bezahlt haben, bestand darin, eine Welt zu erschaffen, in der die Straßen für die Autos gebaut wurden." Mehr Mensch, weniger Auto, hat er als Devise ausgegeben. Auch das ist eine Revolution für diesen weltweit aktiven Familienbetrieb.

Passenderweise will Hackett deshalb nicht nur in Pick-ups und SUVs investieren, sondern auch in Elektroautos und selbstfahrende Wagen. Elf Milliarden Dollar will er bis zum Jahr 2022 in elektrifizierte Modelle stecken, um aufzuholen bei diesen neuen Antrieben. Wobei sich der neue Chef nach außen hin entspannt gibt: Es komme nicht darauf an, der Schnellste zu sein, sondern derjenige, der am besten auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht, sagt Hackett. Dabei setzt er auf Europa. Der Kontinent gebe den Takt an bei Elektromobilität und der Digitalisierung, diesen Schwung wolle man aufgreifen; zumal Ford ja eine starke Europa-Abteilung hat. Während sich GM zurückgezogen hat, macht Ford in Europa gute Geschäfte, zuletzt mehr als eine Milliarde US-Dollar Jahresgewinn. In Deutschland liegt der Konzern beim Absatz mittlerweile auf Platz drei mit beinahe 300 000 verkauften Wagen, die vor allem in Köln und Saarlouis gefertigt werden. "Wir haben uns sehr engagiert", sagte Ford-Chef Jim Hackett. Da ergebe ein Ausstieg keinen großen Sinn. Auch wenn die Autos in Europa kleiner sind.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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