Stilllegung:Alteisen auf hoher See

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Bergung der Brent-Plattform: Der Spezial-Katamaran Pioneering Spirit liefert die Ölplattform Brent Delta zum Ausweiden in einen Hafen in Nordengland. (Foto: Allseas / PR)

Ein Riesenschiff transportiert eine Ölplattform von der Nordsee nach England. Das meiste wird recycelt, doch im Meer gibt es noch eine Altlast.

Von Björn Finke, London

Nur zehn Sekunden dauert das Anheben. Dann steht die Ölplattform Brent Delta nicht mehr auf ihren drei Pfeilern wie in den vergangenen 41 Jahren, sondern ruht sicher auf Stahlträgern zwischen den Rümpfen eines riesigen Katamarans . Dieses Spezialschiff ist länger als fünf Jumbojets und heißt Pioneering Spirit, Pioniergeist. Der Katamaran wuchtete die Plattform schon am Freitag aus ihrer Verankerung im Öl- und Gasfeld Brent, 186 Kilometer nordöstlich der Shetland-Inseln. Dann brachte das Schiff die Plattform zum Abwracken nach Nordengland. Am Dienstagabend sollte Brent Delta im Hafen von Hartlepool ankommen, wo das stählerne Ungetüm in einer Werft zerlegt wird. Mehr als 97 Prozent des Materials soll recycelt werden, verspricht Royal Dutch Shell.

Der britisch-niederländische Konzern betreibt das Öl- und Gasfeld Brent. Die Quellen gaben der Nordsee-Ölsorte einst den Namen. Doch da die Reserven nun zur Neige gehen, will Shell das Feld stilllegen. Nur eine der vier Plattformen - Brent Charlie - fördert weiterhin, aber auch das bloß noch wenige Jahre lang. Der spektakuläre Abtransport von Brent Delta ist also lediglich der Anfang vom Ende für das Feld.

Brent Delta beherbergte eine Anlage zur Aufbereitung des geförderten Öls und Unterkünfte für 160 Beschäftigte. Die Nordsee ist dort 140 Meter tief, die Plattform wiegt 24 200 Tonnen. Nie zuvor sei etwas derartig Schweres auf See angehoben worden, verkündet Shell. Neben den Plattformen muss der Konzern bei dem Ölfeld einen guten Teil des 103 Kilometer langen Pipeline-Netzes bergen sowie am Ende 154 Quellen versiegelt haben. Das wird Milliarden kosten.

Die drei Pfeiler der Brent Delta bestehen nicht aus Stahl, wie es heute üblich ist, sondern aus Beton. Sie zu bergen, wäre schwierig und kostspielig. Darum hat Shell bei der britischen Regierung beantragt, sie zurückzulassen. Lehnt London das ab, würde die Stilllegung des Feldes noch viel teurer.

In den kommenden Jahren werden die Öl- und Gasfirmen zahlreiche weitere Felder in der Nordsee abwickeln müssen. Im Jahr 1975 floss erstmals Nordsee-Öl über eine Pipeline ans Festland. Schon 1999 erreichte die Produktion ihren Höhepunkt: Das Fördergebiet hat seine besten Jahre hinter sich; viele Quellen liefern bald keine rentablen Mengen mehr.

Allerdings wird es dauern, bis die Produktion in der Nordsee komplett eingestellt ist und sämtliche Plattformen und Röhren geborgen sind. Allein in der britischen Nordsee gibt es 470 Plattformen oder Anlagen auf dem Meeresgrund sowie 10 000 Kilometer Pipelines. Die Branchenberater von Wood Mackenzie schätzen, dass erst in 40 Jahren alles abgebaut sein wird. Die Kosten dafür sollen 59 Milliarden Pfund betragen, gut 70 Milliarden Euro. Das Aufräumen wird teuer.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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