Stickoxid-Grenzwerte:Nachgerüsteter Betrug

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Illegale Module können den Abgasausstoß bei Lkw manipulieren. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Spediteure können die Grenzwerte für Stickoxid bei ihren Lkws mit leichten Mitteln umgehen. Dies ist illegal, bleibt aber oft folgenlos.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das "Mega-Angebot" ist wie gemacht für den Spediteur: Beim Kauf von zehn "Euro 6 SCR Emulator Modulen" gibt es den zugehörigen "Fehlercode-Radierer" kostenlos dazu. Und zehn Lastwagen fahren künftig wieder mit ungezügelten Stickoxid-Emissionen. Denn das "Emulator-Modul", so wirbt Anbieter Cardiag, "überwindet alle Systemkomponenten" des SCR-Katalysators. Jenes Systems, mit dem Hersteller wie Scania, DAF oder Mercedes-Benz ihre Lastwagen in Einklang mit den Grenzwerten gebracht haben.

Im Internet finden sich solche Angebote, natürlich weist Cardiag, eine europäische Firma mit Sitz in Hongkong, auf die rechtlichen Haken hin: In einigen Ländern seien Emulatoren verboten. "Es ist Ihre persönliche Entscheidung, ob Sie einen Emulator nutzen oder nicht." Anscheinend entscheiden sich viele Spediteure dafür.

Das legt eine Stichprobe nahe, die Experten der Uni Heidelberg im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe erhoben haben. Mit einem Spezialfahrzeug fuhren sie an mehreren Tagen im Mai hinter Lastwagen der Euro-V- und Euro-VI-Norm hinterher. Aus den Abgasen ermittelten sie die Stickoxid-Werte der Lastwagen. Ergebnis: Bei mindestens 30 Prozent der Euro-V-Lastwagen lagen die Emissionen weit über dem geltenden Grenzwert. Bei den Euro-VI-Fahrzeugen waren es 16 Prozent. Vor allem Lastwagen aus Osteuropa fielen auf.

Die Anbieter der Emulatoren werben mit den Kostenersparnissen, die der Einbau mit sich bringe. Wird das SCR-System außer Gefecht gesetzt, verbraucht der Lkw kein Adblue mehr. Der Harnstoff ist nötig, um das Stickoxid zu reduzieren. Die Flüssigkeit ist zwar für unter einen Euro je Liter zu haben - bei großen Flotten und einer Leistung von 200 000 Kilometern pro Lkw und Jahr fällt die Adblue-Menge für die Speditionen ins Gewicht. Emulatoren gibt es schon für unter 100 Euro, aufwendigere Modelle für um die 500 Euro. "Sie spielen der Software vor, das Fahrzeug funktioniere ordnungsgemäß", sagt Axel Friedrich, Verkehrsexperte der Umwelthilfe. "Allerdings sind sie kaum zu finden."

Die Erfahrung machten auch die Prüfer der Uni. Zusammen mit der Chemnitzer Polizei kontrollierten sie mehrere Fahrzeuge genauer. Etwa den MAN-Truck aus Polen, bei dem das Prüffahrzeug satte 9539 Milligramm Stickoxid je Kilowattstunde registrierte. Erlaubt wären für den Euro-V-Lkw 2000 Milligramm. Ende Mai wies der Temperatursensor 20 Grad minus auf - offenbar eine Manipulation der Motor-Software. Nach der Kontrolle wurde der Lastwagen in eine Werkstatt gebracht, zur weiteren Suche nach dem Emulator.

Aber wie sieht so ein Bauteil aus? Was gehört serienmäßig in den Motor, und was nicht? "Die Mechaniker sind aber mit der Frage, ist das jetzt ein Emulator oder nicht, völlig überfordert", sagt Andreas Mossyrsch, Vorstand des Transport-Verbands Camion Pro. Der Verband sieht in den Manipulationen vor allem eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der regeltreuen Spediteure. Und auch die Polizei in Chemnitz verlangt nun spezielle Messtechnik, mit der sich die Emulatoren nachweisen lassen.

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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