Steuertricks:Kapital auf der Flucht

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Finanzminister Peer Steinbrück will hart durchgreifen, damit die Unternehmen ihre Gewinne wieder in Deutschland versteuern.

Ulrich Schäfer

Lorenz Jarass hat sich als Steuerexperte bei Deutschlands Wirtschaftsverbänden nicht gerade beliebt gemacht. Der Hochschullehrer aus Wiesbaden rechnet seit Jahren vor, dass es zwischen dem, was Unternehmen versteuern sollen, und dem, was sie tatsächlich zahlen, eine erkennbare Kluft gibt.

Und er glaubt auch zu wissen, warum dies so ist: Die Firmen würden durch das deutsche Steuerrecht geradezu ermuntert, ihre Gewinne ins Ausland zu transferieren, in Steuerparadiese wie Irland.

Der Trick, sagt Jarass, sei ganz einfach: Die Konzerne lassen sich von einer Tochtergesellschaft im Ausland einen Kredit geben und zahlen darauf Zinsen. Die Zinsen mindern den Gewinn in Deutschland und mehren ihn in Dublin oder anderswo; dort aber sind die Steuern niedriger.

Versteckt als Zinsen

Auch ausländische Finanzinvestoren nutzen dieses Schlupfloch: Sie leihen sich viel Geld, steigen damit in Deutschland irgendwo ein und bürden dem gekauften Unternehmen die Kredite auf. Die Gewinne landen, versteckt als Zinsen, später in Luxemburg.

Lange wollte niemand dies hören, lange waren Jarass' Ideen auch im Bundesfinanzministerium nicht sonderlich gut gelitten. Doch unter Peer Steinbrück hat sich dies geändert: Wenn das Kabinett an diesem Mittwoch über die Reform der Unternehmensteuern berät, deckt sich ein Teil der Eckpunkte mit den Ideen des Wiesbadener Professors. Denn auch Steinbrück beklagt, dass die Firmen ihre Gewinne ins Ausland schaffen.

Der Sozialdemokrat möchte zweierlei tun, um dies zu ändern. Erstens: Er möchte den Steuersatz für Konzerne von knapp 39 auf gut 29 Prozent senken.

Transfer nicht mehr lohnenswert

Zweitens: Er möchte auch alle gezahlten Zinsen zur Hälfte der Steuer unterwerfen. Selbst wenn ein anderes Land von den Firmen nur 15 Prozent Steuern verlangt, würde es sich nicht mehr lohnen, die Gewinne dorthin zu verlagern.

Steinbrücks Büchsenspanner verweisen darauf, dass es solche Pläne auch in den USA gibt. Eine Expertengruppe, die Präsident George W. Bush eingesetzt hatte, empfahl im November vorigen Jahres, alle Unternehmen mit 30 Prozent zu besteuern, und zwar nicht nur Gewinne, sondern auch Zinsen.

Auch in Deutschland müssen die Unternehmen heute bereits einen Teil der gezahlten Zinsen, also einen Teil ihrer Ausgaben, versteuern. Sie zahlen darauf allerdings nur Gewerbesteuer, und dies auch nur bei langfristigen Krediten. Steinbrück will nun bei sämtlichen Krediten zuschlagen, und zudem auch bei der Körperschaftsteuer.

Wirtschaftsverbände in Aufruhr

Die Wirtschaftsverbände sind deswegen in Aufruhr. Sie fürchten, dass die Regierung tausende von Unternehmen in den Ruin treiben wird. Der Steuerexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Alfons Kühn, warnt vor einer "unheilvollen Spirale", die da in Gang gesetzt werde: "Die Unternehmen, die keinen Ertrag haben, müssen weitere Kredite aufnehmen, um ihre Steuern zu bezahlen, und dies wiederum treibt die Steuern noch mehr in die Höhe."

Auch die Finanzexperten in der Unions-Fraktion sind gegen Steinbrücks harten Eingriff. Etliche Ministerpräsidenten der Union sehen dies jedoch anders, so Roland Koch. Der hessische Regierungschef leitet die Arbeitsgruppe zur Steuerreform, die Kanzlerin Angela Merkel eingesetzt hat; diese scheint ebenfalls Steinbrücks Vorschlag zuzuneigen.

Freibetrag

Jarass ist deshalb davon überzeugt, dass Steinbrück sich durchsetzen wird. Er verweist darauf, dass kleinere Betriebe durch einen Freibetrag von 30.000 Euro geschützt werden sollen. Wer sich weniger als eine Million Euro leiht, müsste bei einem Zins von sechs Prozent keine Steuern zahlen.

"Das Ganze", behauptet Jarass, "bringt niemanden um. Aber es greift genau da, wo Finanzinvestoren und Konzerne ihre Steuerlast weltweit minimieren wollen."

© SZ vom 12.07.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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