Steuernachzahlungen:Konzerne rechnen sich beim Finanzamt arm

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Deutschlands Großunternehmen zahlen nur widerwillig Steuern: Freiwillig überwiesen sie 2005 nur zwei Drittel der fälligen Körperschaftsteuer, den Rest trieben Steuerprüfer ein. Finanzminister Steinbrück will die Steuersätze gleichwohl kräftig senken.

Ulrich Schäfer

Die 11.000 Steuerprüfer durchleuchteten im vorigen Jahr mehr als zweihunderttausend Unternehmen. Wie schon in den Vorjahren wurden sie dabei insbesondere bei den Großbetrieben fündig: Diese mussten 10,87 Milliarden Euro an Steuern nachzahlen, weitere 2,7 Milliarden Euro trieben die Prüfer bei Mittelständlern und Kleinbetrieben ein.

Besonders kräftig mussten die Unternehmen bei der Körperschaftsteuer nachzahlen: Hier holten die Prüfer im Nachhinein 5,36 Milliarden Euro - so viel, wie noch nie zuvor. Jeweils drei Milliarden Euro flossen nachträglich bei der Einkommen- und Gewerbesteuer und rund 1,2 Milliarden Euro bei der Umsatzsteuer. Dies geht aus dem Ergebnis der Betriebsprüfung 2005 hervor, die das Bundesfinanzministerium, unbemerkt von der Öffentlichkeit, Anfang dieser Woche auf seiner Internetseite veröffentlicht hat.

Die Zahlen dürften die Debatte um die Senkung der Unternehmensteuern beflügeln. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte dem Koalitionsausschuss am Montag vorgeschlagen, den Satz für Kapitalgesellschaften von 39 Prozent auf unter 30 Prozent zu senken. Auch große Personengesellschaften, die ihren Gewinn investieren, sollen von dem niedrigen Tarif profitieren.

Faltlhauser: 30 Prozent als Ziel

Steinbrück hatte bei dem Treffen vorgeschlagen, diese Reform schon zum 1. Januar 2007 in Kraft zu setzen - ein Jahr früher, als im Koalitionsvertrag vorgesehen. "Richtig ist, wir wollen in den Sätzen runter", sagte Steinbrück dazu am Donnerstag. Der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) betonte, ein Satz von 30 Prozent sei das Maß: "Das ist die richtige Zielzahl, die wir alle im Kopf haben".

Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondracek, dagegen sagte mit Blick auf die Betriebsprüfung: "Es ist höchst amüsant, dass die Unternehmen über eine zu hohe Steuerbelastung klagen." Die absoluten Sätze seien im EU-Vergleich sicher hoch, zugleich könnten die Unternehmen aber die vielen Ausnahmen des Steuerrechts nutzen und sich gegenüber dem Finanzamt arm rechnen: "Die Unternehmen optimieren die Zahlen in ihrem Sinne, sie legen möglichst alles zu ihren Gunsten aus - und warten dann ab, ob es der Steuerprüfer sieht oder nicht", sagte Ondracek.

Die Prüfer untersuchen bei Großunternehmen jeden Jahresabschluss, die Zahlen der Mittelständler und Kleinbetriebe werden in größeren Abständen durchleuchtet. Angesichts der Datenmenge können die Prüfer aber auch bei großen Unternehmen jedes Jahr nur einen Teil der Zahlen kontrollieren. Konzerne werden meist von zwei bis drei Prüfern durchleuchtet; oft haben diese sogar ein eigenes Büro in dem Unternehmen.

Steinbrück will Reform, die wenig kostet

Die Prüfer sind auf bestimmte Branchen spezialisiert und wissen deshalb, wo sie ansetzen: Hat das Unternehmen zu hohe Preise angesetzt, wenn es Waren an eine ausländische Tochterfirma verkauft? Wurde der Wert einer neu erworbenen Gesellschaft zu schnell abgeschrieben? Oder wurde die Konzernstruktur geändert, um Steuern zu sparen? Ondracek zufolge bewegen sich die Nachforderungen meist im zwei- oder dreistelligen Millionenbereich. Einmal musste ein großes Unternehmen vor einigen Jahren aber sogar eine Milliarde Euro nachzahlen.

Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte, die hohen Nachzahlungen zeigten, dass die Unternehmen große Spielräume bei den Steuern hätten. Auch deshalb seine Reform nötig. Steinbrück will seine Steuerpläne Ende Mai der Öffentlichkeit vorstellen und vorher mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abstimmen. Der Finanzminister sagte am Donnerstag, die Reform solle den Staat so wenig wie möglich kosten.

Die Koalition werde nicht nur die Sätze senken, sondern die Bemessungsgrundlage erweitern, mithin Ausnahmen beseitigen. Der Obmann der CDU/CSU im Finanzausschuss, Otto Bernhardt, sagte, die Koalitionspartner seien sich in vielen Punkten mittlerweile einig. Strittig ist noch, ob die Gewerbesteuer abgeschafft wird und auf Kapitalgewinne eine Abgeltungsteuer eingeführt wird.

© SZ vom 5. 5. 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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