Steuern:Kommt drauf an, wer rechnet

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Wer viel kocht oder badet, jagt, fischt oder reitet, wird vom Staat zur Kasse gebeten. Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, was Bürger wirklich zahlen.

Von Cerstin Gammelin

Wer in Deutschland auf dem Land wohnt, dort jagt, reitet oder angelt, danach zum Aufwärmen badet, Süßes isst und trinkt, kocht und seine Wohnung hell erleuchtet, gehört zu denjenigen Bürgern, denen der Staat besonders tief in die Tasche greift. Und zwar über verdeckte Steuern und Abgaben. Zu diesem Ergebnis kommt der Bund der Steuerzahler Deutschlands, der erstmals 50 nicht-steuerliche Abgaben zusammengetragen hat, die Bürger und Betriebe zusätzlich zu herkömmlichen Steuern zahlen müssen. Sie reichen von der EEG-Umlage über die Reitabgabe oder die Walderhaltungsabgabe bis zur Produktionsabgabe auf Zucker. "Der Staat bittet die Bürger auf vielfältige Weise zur Kasse", sagt Präsident Reiner Holznagel.

Anlass für die Fleißarbeit war der "zwangsweise erhobene Rundfunkbeitrag" zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten , der sich 2014 auf 8,3 Milliarden Euro summierte. Ein echtes Ärgernis, wie Holznagel findet, das reformiert oder abgeschafft gehöre. Ebenso wie die Künstlersozialabgabe. Oder die Fischereiabgabe, aus deren Einnahmen auch ein Fischereimagazin finanziert wird. "Ist das noch zeitgemäß?", fragt Holznagel - und lässt am Tonfall erkennen: natürlich nicht.

Die angeblich niedrige Steuerquote entspreche nicht den Tatsachen

Wobei, auch das betont er, es ihm nicht darum gehe, die verdeckten Steuern abzuschaffen. Sondern um Transparenz: "Wir wollen deutlich machen, dass die Steuerquote in Deutschland nicht bei den oft diskutierten 21 Prozent liegt, sondern deutlich höher". Die angeblich niedrige Steuerquote verzerre die Belastung der Bürger, sie entspreche nicht den Tatsachen.

Die 50 verdeckten Steuern und Abgaben sind grob unterteilt in Sozialversicherungsbeiträge, Gebühren und Quasi-Steuern. Unter letzterem versteht Holznagel alle staatlich beschlossenen Sonderabgaben, die entweder alle Bürger oder Personengruppen zahlen müssen, um bestimmte öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Etwa um Wälder zu pflegen, die Energiewende zu finanzieren, oder auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen.

In einer eigens zusammengestellten Broschüre mit dem hübschen Titel "Nichtsteuerliche Abgaben - Sonderproblem Quasisteuern" haben die Steuerlobbyisten akribisch alle Sonderabgaben zusammengetragen, die der Staat veranlasst hat, die er aber nicht den Steuern zurechnet. Die "Quasi-Steuern" belaufen sich 2014 demnach auf die stattliche Summe von 49 Milliarden Euro jährlich, das sind etwa 1,7 Prozent des Bruttosozialproduktes. Die Zahl bringt den obersten Lobbyisten der Steuerzahler dazu, einen eigentlich freundlichen Menschen, sich in Rage zu reden. Gerade noch hatte er die Beine entspannt übereinander geschlagen, nun sitzt er kerzengerade und beginnt zu erklären, was seiner Meinung nach seit Längerem schief läuft.

Beispielsweise die Sache mit der Künstlersozialabgabe. Wenn ein Unternehmen eine Band auf Partys spielen lasse, müsse es eine Abgabe an die Künstlersozialkasse zahlen, und zwar vom zweiten Auftritt an. Und nur, wenn der Bandleader eine Personengesellschaft betreibe. Alles sei so kompliziert, dass der Verband vorgeschlagen habe, die 800 Millionen Euro jährlich direkt aus dem Staatshaushalt an die Künstlersozialkasse zu zahlen. Die Bundesregierung habe aber abgelehnt, die Unternehmen zulasten aller Steuerzahler von dieser Bürokratie zu befreien.

Der Verband ist auch mit der Forderung nicht weitergekommen, die Umlage zum Ausbau der Erneuerbaren Energien über den Staatshaushalt laufen zu lassen. Sie wird weiter von den Stromverbrauchern über das Netzentgelt an die Erzeuger gezahlt. Sie fließt also nicht durch den Staatshaushalt und zählt für die Steuerlobbyisten als verdeckte Steuer. Mit einem Aufkommen von 22,3 Milliarden Euro ist die EEG-Umlage der mit Abstand größte Posten auf der Liste. Die Konzessionsabgabe auf Gas, Wasser und Strom brachte 3,3 Milliarden Euro ein, weitere Energieabgaben summieren sich auf rund 3,5 Milliarden Euro.

Es sei "schon zynisch", sagt der Präsident, wenn die Bundesregierung über die Mietpreisbremse rede, aber gleichzeitig die zweite Miete, die Nebenkosten, deutlich verteuere. Gegenwärtig mischt sich der Verband in die Reform der Grundsteuer ein, die nach Ansicht des Präsidenten Mietwohnungen in bestimmten Regionen massiv verteuern wird.

Dass die Interessenvertreter der Steuerzahler gerade jetzt ihre Transparenzoffensive starten, ist auch der Bundestagswahl 2017 und dem damit verbundenden Steuerwahlkampf geschuldet, sagt Holznagel. Und erläutert die Botschaft, die er loswerden will: Angesichts der tatsächlichen Steuerquote sei "eine größere Entlastung als die von der Union ins Schaufenster gelegten 15 Milliarden Euro nötig".

© SZ vom 27.10.2016 / Cerstin Gammelin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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