Stellenabbau bei Sat 1:Magersüchtig

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Der Fernsehsender Sat 1 steckt in der Krise. Der Sender soll sich gesund sparen, indem 180 Stellen abgebaut werden. Ob der Plan aufgeht, ist zweifelhaft.

Caspar Busse

Eigentlich hatte sich Matthias Alberti, 43, das alles ganz anders vorgestellt. Der zwei Meter zwölf große Chef des Privatsenders Sat 1 wollte die Umbaupläne für den gegen schwache Quoten kämpfenden Sender in Ruhe diskutieren - und dann die Mitarbeiter in Berlin informieren.

Kommt die Lage am Gendarmenmarkt Sat 1 zu teuer? Um Kosten zu sparen sollen Mitarbeiter und Nachrichten eingespart werden. (Foto: Foto: ddp)

Doch die Pläne gerieten an die Öffentlichkeit. Die Unruhe bei der Pro-Sieben-Sat-1-Belegschaft ist groß. Nach Angaben aus Branchenkreisen sollen insgesamt 180 Arbeitsplätze bis Ende 2009 abgebaut werden. Davon würden etwa 80 Stellen auf befristete Arbeitsverträge entfallen. Hundert Festangestellte müssten demnach gehen.

Der Betriebsrat ist noch nicht informiert. An diesem Donnerstag soll es erste Informationsveranstaltungen geben, für Freitag wurde eine Betriebsversammlung in Berlin einberufen, in der kommenden Woche könnte ein Sozialplan verhandelt werden. Vorstellbar ist, dass auch um die Frage des Standortes Berlin diskutiert wird. Sat 1 residiert in bester, teurer Lage am Gendarmenmarkt, möglicherweise laufen noch von Leo Kirch vereinbarte Förderprogramme in Berlin aus.

Umbau zu einem reinen Unterhaltungskanal

Konzernchef Guillaume de Posch will alle Pläne auf der Hauptversammlung an diesem Dienstag in Einzelheiten präsentieren. So viel steht fest: Auf Sat 1 dürfte der Großteil der Stellenstreichungen entfallen. Der Sender soll zu einem reinen Unterhaltungskanal umgebaut werden.

Wichtige Informationssendungen würden gestrichen, darunter die Nachrichtenmagazine Sat1 am Mittag, Sat 1 am Abend und die Nachtausgabe von Sat 1 News. Kurzfristig sollen die Formate beendet werden, ersetzt würden sie durch Serien oder Gerichtsshows. Der Sender würde ein reiner Abspielkanal wie Kabel1.

Was mit der Hauptnachrichtensendung Sat 1 News (18.30 Uhr) passiert, die vom Schwestersender N24 produziert und bisher von Thomas Kausch moderiert wurde, scheint unklar zu sein. Sat 1 steckt in einer Krise: Zuletzt fielen viele Formate durch. Der Marktanteil sinkt deutlich, im zweiten Quartal stand er in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen bei durchschnittlich 10,4 Prozent, so niedrig wie in sieben Jahren nicht.

Lizenzierung als Vollprogramm gefährdet?

Die Aufgabe der Informationssendungen ist heikel. "Sat 1 ist als Vollprogramm lizenziert", sagte Rolf Platho von der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) der SZ. Die LMK ist für die Lizenzierung von Sat1 zuständig. Zu einem Vollprogramm gehöre ein gewisser Anteil Informationssendungen. Wie groß dieser sein müsse, sei nicht geregelt und noch nie gerichtlich überprüft worden. Die LMK, so Platho, werde nach einer Sat-1-Reform genau prüfen, ob die Lizenzbedingungen erfüllt blieben. Sonst würden Änderungen eingefordert.

Albertis Vorgänger Roger Schawinski, der bis Ende 2006 das Programm verantwortete, hatte 2004 die Informations-Offensive ausgerufen. Nachrichten, referierte er, seien zwar teuer in der Produktion, würden aber das Image eines Sender nach oben bringen. Nur wenn ein Sender Informationskompetenz zeige, werde er als Vollprogramm wahrgenommen.

Diesen Weg verfolgt RTL. Der Konkurrent von Sat 1 investiert in News (mit Peter Kloeppel). "Rein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten müsste ein Privatsender die Nachrichten abschaffen oder verkürzen - mal unabhängig von medienrechtlichen Vorgaben", sagte Schawinski unlängst in einem Interview,

Zu einem solchen radikalen Schritt hat sich Sat 1 jetzt offenbar entschlossen. Der Sender ist eine Stütze des Pro-Sieben-Konzerns. 2006 setzte er 855 Millionen Euro um, der ganze Konzern 2,1 Milliarden. In seiner Verzweiflung sendet Sat 1, einst populärer Bundesligakanal (ran), wieder Fußball - jedoch ohne eine Sportredaktion zu unterhalten.

"Aus puren Renditeerwägungen der Eigentümer"

Von September an wird ein Mittwochspiel aus jeder Runde der Champions League ausgestrahlt. Der Pay-TV-Anbieter Premiere erledigt die gesamte Produktion und liefert die Spiele komplett bei Sat 1 an, inklusive journalistischer Leistungen (Moderation, Kommentar, Interview). Das ganze läuft sozusagen als Premiere-Dauerwerbesendung unter dem Namen Champions-TV.

In der vergangenen Saison hatte Premiere Champions-TV beim Spartensender DSF abgespielt. Die Begegnung Bayern München gegen Real Madrid wurde im Frühjahr probeweise auf Sat 1 gezeigt - mit einem Marktanteil von mehr als 30 Prozent.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) warnt vor einem Stellenabbau aus "puren Renditeerwägungen der Eigentümer". Der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken sagte, es sei ein medienpolitischer Skandal, dass die Senderkette offensichtlich ihr komplettes Informationsangebot streichen wolle.

Konzernchef de Posch hatte seinen Großaktionären, den Finanzinvestoren KKR und Permira, eine Rendite von 25 bis 30 Prozent versprochen. Der Weg dahin ist steinig: Derzeit sind es 22Prozent.

© SZ vom 17.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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