Steitpunkt Kündigungsschutz:Ein Schritt vor, zwei zurück

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In Frankreich trieb das Thema Kündigungsschutz die Jugend auf die Straße - in Deutschland ließ er die Koalitionspartner zusammenrasseln. Der Union geht der Koalitionsvertrag nicht weit genug.

Michael Bauchmüller

Zumindest für deutsche Gewerkschafter kamen die März-Unruhen in Frankreich wie auf Bestellung. Das sei, deutete DGB-Chef Michael Sommer süffisant an, doch ein guter Anlass, die deutschen Pläne zum Kündigungsschutz zu überdenken.

Polizeiaufmarsch in der Uni: In Frankreich treibt die Debatte um den Kündigungsschutz die Jugend auf die Straße, in Deutschland streiten vor allem die Politiker. (Im Bild: die Sorbonne Universität in Paris) (Foto: Foto: AFP)

In Frankreich trieb das Thema die Jugend auf die Straße - in Deutschland ließ er die Koalitionspartner zusammenrasseln. Dabei ist doch im Koalitionsvertrag alles geregelt. Wenn die Arbeitnehmer einverstanden sind, sollen sie künftig 24 Monate lang zur Probe arbeiten - statt bisher sechs.

Der Rückschritt droht

So wollte es die Union, die sich davon mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt versprach. Innerhalb dieser Zeit muss der Arbeitgeber nur zwei Wochen vorher kündigen, wenn er sich von einem Beschäftigten trennen will.

Das wiederum wollte sich die einstige Arbeiterpartei SPD nicht so billig abkaufen lassen - und setzte durch, Arbeitsverträge, die ohne Grund befristet sind, abzuschaffen. De facto würde es damit in Deutschland bald nur noch unbefristete Arbeitsverträge geben - mit ein paar Ausnahmen, etwa für Existenzgründer und für ältere Beschäftigte.

Vor allem die Arbeitgeber, die stets für laxeren Kündigungsschutz plädierten, sind darüber wenig amüsiert. "Kontraproduktiv" sei die Regelung, urteilte die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA).

Es drohe ein Rückschritt "hinter die geltende Rechtslage". Am liebsten wäre Arbeitgebern die Wahl zwischen längerer Probezeit und befristeter Beschäftigung - eine Position, die auch Mittelstandspolitiker der Union teilen.

"Ein schlechter Tausch"

Selbst die Gewerkschaften stehen mit der Koalitions-Einigung aus dem November auf Kriegsfuß. "Wir wollen keine weitere Änderung des Kündigungsschutzes", sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtlerin beim DGB. "Die sachgrundlose Befristung gegen einen schärferen Kündigungsschutz herzugeben, wäre ein schlechter Tausch." Dann doch besser so, wie es vor Schwarz-Rot war.

Es könnte so kommen - wenn sich die Koalitionsfraktionen nicht einig werden. Nachdem in den vergangenen Monaten zahlreiche Unionspolitiker gefordert hatten, den Regierungspakt an dieser Stelle neu zu verhandeln, griff Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) nach der Notbremse: Wer sich nicht an den Koalitionsvertrag halte, der bekomme gar keine Änderung beim Kündigungsschutz.

Und weil der Vertrag den Kündigungsschutz vergleichsweise genau regelt, ließ sich selbst mittels Neuauslegung der Worte nichts mehr machen. "Die Neuregelung wird sich entweder penibel am Koalitionsvertrag orientieren, oder sie wird gar nicht kommen", erwartet auch BDA-Arbeitsrechts-Experte Roland Wolf.

Ein kleiner Schritt

Dass der Koalitionsausschuss nächsten Montag den Kündigungsschutz überhaupt behandeln wird, ist unwahrscheinlich - auf der Tagesordnung steht er nicht. Dabei steht eine Einigung bevor: Die Union scheint auf ihre Forderungen verzichten zu wollen.

Zu Beginn der "zweiten Etappe" des Regierens hatte die Kanzlerin die Parole ausgegeben, erst einmal die Abmachungen zu erfüllen. "Der Koalitionsvertrag muss konkretisiert, nicht korrigiert werden", sagt auch Ralf Brauksiepe, Chef der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales in der Unionsfraktion. "Dann muss man beobachten, wie sich das entwickelt", sagt Brauksiepe. "Aber es wird nicht ein sehr großer Schritt werden."

© SZ vom 27.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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