Stan Smith:Der Mann mit dem Schuh

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Der Sportartikelhersteller Adidas hat aus einem sehr alten weißen Retro-Tennis-Sneaker eine Ikone der Modewelt gemacht. Der Wimbledon-Sieger gab damals seinen Namen dafür her - und wundert sich nun selbst über den großen Erfolg.

Von Caspar Busse

Der ältere Herr im roten Polohemd mit Schnauzbart und Halbglatze lacht freundlich zur Begrüßung. Er ist hochgewachsen, gut gebräunt, schlank und wirkt für sein Alter ziemlich sportlich. Wenn die Sprache auf Tennis kommt, gerät er schnell ins Schwärmen. Und natürlich trägt auch er sie - diese ganz weißen Turnschuhe. Er hat 50 Stück davon zu Hause in South Carolina im Schrank stehen. Dann beugt er sich nach unten. "Schauen Sie, hier steht vier mal mein Name drauf", sagt er und grinst dabei.

"Kaum jemand, der heute jünger als 50 ist, hat mich doch je spielen sehen."

Stanley Roger, kurz "Stan", Smith, 69, war einmal ein erfolgreicher Tennisspieler, er gewann berühmte Turniere, die US-Open, das Endspiel in Wimbledon, mit dem amerikanischen Team mehrmals den Davis-Cup. Seit dem Ende seiner Karriere 1985 tourt er durch die Tennis-Welt. Doch weltberühmt ist sein Name nicht wegen seiner Siege, sondern wegen dieser weißen Turnschuhe. Die Sneaker mit dem schlichten Schriftzug "Stan Smith" (einige tragen sogar sein Konterfei unter den Schnürsenkeln) sind schon lange viel bekannter als er. Manche wissen gar nicht, dass es überhaupt einen echten Stan Smith gibt. Selbst sein Sohn, so erzählt er, habe ihn vor einigen Jahren einmal gefragt hat: "Haben sie den Schuh eigentlich nach Dir benannt, oder Dich nach dem Schuh?"

Der Schuh ist eine dieser Retro-Erfolgsgeschichten in der internationalen Modewelt, die man kaum für möglich hält. Die minimalistischen und betont schlichten Adidas-Treter, in denen Stan Smith vor 45 Jahren auf dem Rasen von Wimbledon gewonnen hat, sehen heute noch genauso aus, haben noch die gleiche Sohle, das gleiche Design - und sind deswegen weltweit begehrt. Wer etwas auf sich hält und in sein will, trägt "Stan Smith", zum Anzug, zum Abendkleid, zu allen Gelegenheiten. Aus dem Sneaker ist eine Ikone der Modewelt geworden, beliebt besonders bei jungen Leuten zwischen 15 und 25 Jahren.

"Ich bin stolz, dass so viele Menschen Schuhe mit meinem Namen tragen", sagt Stan Smith, aber er kann es eigentlich selbst nicht fassen. Fünf Millionen Paar verkaufte Adidas alleine im Jahr 2015 zu einem Preis von 90 bis 110 Euro. Insgesamt sind seit der Einführung mehr als 50 Millionen Paar abgesetzt worden. Modellen wie dem "Stan Smith" oder dem ebenfalls weißen "Superstar" - einem ehemaligen Basketballschuh, der 2015 sogar 15 Millionen mal verkauft wurde -, ist es unter anderem zu verdanken, dass Adidas so gut dasteht wie noch nie und an der Börse mehr als 31 Milliarden Euro wert ist, beinahe doppelt so viel wie die Deutsche Bank.

Die Geschichte begann 1965. Damals plante Adidas in Frankreich zum ersten Mal einen Tennisschuh aus Leder, bisher waren diese aus Leintuch gefertigt. Statt der drei markanten Streifen an der Seite zierten drei Reihen von kleinen Belüftungslöchern den ganz weißen Schuh, der hinten an der Ferse eine kleine grüne Verstärkung hatte (grün, weil damals alle wichtigen Turniere auf Rasen stattfanden). Das Modell trug zunächst den Namen des französischen Tennisspielers Robert Haillet. Die Sportmanager aus Herzogenaurach stellten die Modelle dann bekannten Tennisspielern kostenlos zur Verfügung.

1972 gewann Stan Smith sensationell in Wimbledon - und trug dabei die neuen Adidas-Schuhe. Horst Dassler, der Sohn des Firmengründers Adi Dassler, wollte damals verstärkt in den amerikanischen Markt und suchte einen neuen, einprägsameren Namen für die Schuhe. Ein Agent stellte den Kontakt zu Smith her, damals die Nummer eins der Weltrangliste. "Wir haben uns zum ersten Mal in Paris im 'Elle et Lui' getroffen", erinnert sich Smith. Das war ein berüchtigter Nachtclub, nachts um elf Uhr wurden sich Dassler und Smith schnell einig: Der amerikanische Tennisspieler wurde der neue Namensgeber, auf der Lasche prangte nun ein Bild von Smith. Die Verkäufe zogen daraufhin deutlich an, wenig später verschwand der Name von Haillet vollständig. Lange kauften vor allem Tennisspieler das Modell. Später dann wurden Sneaker cool, spätestens seit die Hip-hop-Band Run DMC in Turnschuhen aus Deutschland auftrat und 1986 den Song "My Adidas" rausbrachte.

Doch Adidas wollte mehr. 2012 entschieden sich die Franken, das Modell "Stan Smith" vom Markt zu nehmen, die Produktion wurde vorläufig eingestellt, die Lager geleert, auch mit Sonderpreisen. "Ich war damals überhaupt nicht glücklich darüber", sagt Smith heute, "es hätte ja das Ende des Modells sein können." Die Adidas-Manager erzählten ihm zwar, dass sie einen völligen Neustart planten. Aber er war skeptisch und gar nicht überzeugt.

Wenig später jedenfalls war das Modell "Stan Smith" vom Markt verschwunden, manche Kunden beschwerten sich bereits. Im Herbst 2013 dann zur Modewoche in New York kehrte der Schuh zurück, allerdings gab Adidas die Modelle exklusiv nur an ausgesuchte Designer, Stars und Sternchen. Der Sänger Pharrell Williams beispielsweise zog ihn an, das Model Gisèle Bündchen war in der Modezeitschrift Vogue zu sehen, mit nichts an außer weißen "Stan-Smith"-Schuhen. Plötzlich war das Comeback des Modells überall ein Thema, dank der Adidas-Strategen besonders in den sozialen Netzwerken, bei Facebook, Instagram oder Twitter. Die Schuhe waren heiß begehrt, aber nicht überall erhältlich. Adidas brachte sie zunächst in dosierter Stückzahl in einige angesagte Läden und erhöhte damit die Begehrlichkeit. Der Trick gelang: Der Hype schwappte über. Heute sind "Stan Smith" weltweit angesagt.

"Seien wir doch ehrlich, kaum jemand, der heute jünger als 50 ist, hat mich je spielen sehen", lacht der Namensgeber. Aber er hat sich damit abgefunden, dass ihn eigentlich niemand kennt, dafür aber jeden den Schuh. Noch immer ist er unermüdlich unterwegs, um für Adidas und den Sneaker Werbung zu machen. Er habe einen Japaner kennengelernt, der seit 13 Jahren nur die weißen Adidas-Schuhe trägt, ein anderes Paar habe sich in "Stan-Smith"-Schuhen zueinander gefunden und diese auch bei ihrer Hochzeit getragen. In Herzogenaurach arbeiten sie gerade an einem großen bunten Buch über den Sneaker.

"Es ist nicht mein Schuh. Es ist ein Schuh für die Menschen in aller Welt", sagt Smith. Aber der Erfolg zahlt sich auch für ihn aus. Er sei am Erfolg beteiligt und erhalte heute eine Tantieme für jeden verkauften Schuh mit seinem Namen, sagt Smith. Er kann gut davon leben, über die Höhe will er nicht sprechen. "Es ist nicht so viel wie bei Michael Jordan", lacht Smith, "noch nicht einmal nah dran." Der amerikanische Basketball-Star bekam von Nike zuletzt gut hundert Millionen Dollar im Jahr.

Vor einigen Wochen ist Smith übrigens mit Pharrell Williams, der auch bei Adidas unter Vertrag ist, drei Stunden lang bei den US-Open gewesen. Der Hiphopper habe gar keine Ahnung von Tennis, stellt Smith erstaunt fest, er habe ihm die Grundregeln erklären müssen. Aber für Tennis interessieren sich diese Leute sowieso nicht.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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