Stahlmarkt:Jeder gegen jeden

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Blick in die Zukunft? Die Stahlskulptur "Tiger & Turtle" in Duisburg, eine begehbare Achterbahn, bietet einen weiten Blick über das Ruhrgebiet. Errichtet wurde sie auf der ehemaligen Deponie einer Metallhütte. (Foto: Lukas Schulze/Getty)

In der Branche tobt seit Jahren ein harter Wettbewerb. Das chinesische Dumping beschert den europäischen Unternehmen große Verluste, eine Fusion reiht sich an die andere.

Von KARL-HEINZ BÜSCHEMANN, München

Manchmal reicht schon schlechtes Wetter in Australien, um in Europa für Turbulenzen zu sorgen. Im April tobte der Zyklon "Debbie" auf dem fünften Kontinent und unterbrach den Transport von Kohle aus den Bergwerken im Nordosten des Landes. Danach stiegen in Deutschland die Preise für Kohle. Die Stahlproduzenten, die Rohstoffe brauchen, um Bleche für Autos, Kühlschränke oder die Träger zum Bau von Hochhäusern herzustellen, kamen in noch größere Schwierigkeiten als schon bisher. Als hätte die Branche nicht bereits genug zu klagen.

Es gibt auf der Welt zu viele Stahlwerke, und seit einigen Jahren fluten die Chinesen den Weltmarkt mit Billigangeboten. Das bringt die Hersteller weltweit massiv in Schwierigkeiten, auch deutsche Unternehmen wie Thyssen-Krupp oder Salzgitter. Und zu allem Überfluss droht jetzt auch noch Amerikas Protektionismus-Präsident Donald Trump, bestimmte Stahlsorten nicht mehr ins Land zu lassen.

Auf dem Weltmarkt für Stahl kämpft jeder gegen jeden. Europa ist ein gern genutzter Markt, um überschüssige Mengen loszuschlagen. "Die Importsituation auf dem europäischen Stahlmarkt ist angespannt", klagt der deutsche Branchenverband Wirtschaftsvereinigung Stahl. Bei den deutschen Herstellern geht der Umsatz seit Jahren zurück. Die Zahl der Mitarbeiter ist von 1980 bis 2014 von 288 000 auf 87 000 Beschäftigte gefallen.

China, der größte Produzent von Rohstahl, drückt mit Billigangeboten in den Markt

Stahl war aber auch schon immer ein Vehikel der Industriepolitik. Kaum eine Branche wird mit Regierungshilfen so gepäppelt wie diese. Wo immer Politiker die Wirtschaft ihres Landes voranbringen wollten, sorgten sie für eigene Hochöfen. Im Jahr 2016 gab es auf der Welt Stahlwerke, die 1,1 Milliarden Tonnen Rohstahl hätten erzeugen können. Gebraucht wurden aber nur 700 Millionen Tonnen. China, der mit weitem Abstand größte Erzeuger von Rohstahl, subventioniert seine Stahlindustrie derart massiv, dass trotz des Transports des schweren Materials über Tausende von Kilometern bis nach Europa Preise verlangt werden, mit denen deutsche Hersteller nicht mithalten können.

Viele europäische Stahlerzeuger arbeiten mit Verlust. Im vergangenen Jahrzehnt reihte sich eine Fusion an die andere. Dennoch ist ein Ende der Krise nicht in Sicht.

Allerdings sündigen auch die Europäer. Die heimische Stahlindustrie, die im vergangenen Jahr 140 Millionen Tonnen Stahl lieferte, hat Kapazitäten von 210 Millionen Tonnen. Bisher ist es nicht gelungen, diesen Überhang zu reduzieren, ganz im Gegenteil: Es werden sogar Kapazitäten erhöht. Der marode italienische Stahlkonzern Ilva, der vom Staat kontrolliert wird und im Süden Italiens das größte Stahlwerk Europas betreibt, wurde vor einer Woche an den luxemburgischen Stahlkonzern Arcelor-Mittal verkauft. Der Käufer des Verlustmachers hat der Regierung in Rom versprochen, die Anlagen in Taranto zu erweitern.

© SZ vom 30.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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