Staatshilfe:Kalt erwischt

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Alle 170 Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof haben derzeit in Deutschland geschlossen, wie diese in Essen. Dem Konzern geht deswegen pro Woche Umsatz in Millionenhöhe verloren. (Foto: Fabian Strauch/dpa)

Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof flüchtet wegen der Corona-Krise unter den Rettungsschirm. So soll das Überleben des Konzerns gesichert werden, ohne Insolvenz beantragen zu müssen.

Von Michael Kläsgen, München

Die Corona-Krise erreicht mit voller Wucht den deutschen Handel: Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hat am Mittwoch vor dem Amtsgericht Essen einen Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens gestellt. Dies gilt auch für die Tochtergesellschaft Karstadt Sports. Das Gericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Schutzschirmverfahren soll dazu dienen, in die Krise geratene Unternehmen vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen, ohne dass sie Insolvenz anmelden müssen. Die Geschäftsführung könne das Unternehmen in der Zeit weiterführen und sanieren, teilte das Unternehmen mit. Das Management unterstützen sollen der Restrukturierungsexperte Arndt Geiwitz als Generalbevollmächtigter und Frank Kebekus als Sachwalter. Geiwitz kennt Karstadt noch aus früheren Krisenzeiten.

Führende Insolvenzverwalter plädieren für eine Absicherung zu 100 Prozent für Unternehmen

Nach jahrelangen harten Sparmaßnahmen hatte Karstadt Ende vergangenen Jahres mit Kaufhof fusioniert. Das Unternehmen beschäftigt heute etwa 28000 Mitarbeiter, die zuletzt noch 85 Prozent ihres bereits gekürzten Monatsgehalts verdienten. Der Konzern hatte vor wenigen Tagen Kurzarbeitergeld und Staatshilfe beantragt, doch die Gespräche mit der Hausbank stockten. Nach eigenen Angaben verliert der Konzern jede Woche mehr als 80 Millionen Euro Umsatz, während wesentliche Kosten weiterlaufen. Bis Ende April werde sich der Umsatzausfall auf mehr als eine halbe Milliarde Euro summieren.

Derzeit sind alle 170 Filialen des Warenhauskonzerns in Deutschland wegen der Corona-Krise bis auf weiteres geschlossen. Nur die Lebensmittelabteilungen und separat zugängliche Drogerieabteilungen haben geöffnet. Die behördlich angeordneten Schließungen für alle Einzelhändler, die keine Waren des täglichen Bedarfs verkaufen, treffen Kaufhof Karstadt zu einem Zeitpunkt, an dem es dem Konzern besser zu gehen schien. "Die Sanierung und Zusammenführung der Warenhäuser von Galeria Karstadt Kaufhof war vor dieser Krise auf einem sehr guten Weg", sagte Finanzchef Miguel Müllenbach laut Pressemitteilung. "Unser Unternehmen war de facto schuldenfrei, die eingeleiteten Maßnahmen zeigten Wirkung."

Doch dann kamen das Virus und der Stress mit den Banken.

Ziel des Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung ist es, behördlich angeordnete Filialschließungen und die damit verbundenen hohen Umsatzausfälle ohne eine massive Neuverschuldung zu bewältigen. Müllenbach bezeichnete das Schutzschirmverfahren als richtigen Schritt für das Unternehmen, seine Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und auch für die deutschen Innenstädte. Er kritisierte allerdings auch, dass bei der staatlich garantierten Kreditvergabe die Hausbanken für zehn oder 20 Prozent der Summe haften sollen, dies aber oft nicht wollen: "In der Umsetzung der staatlichen Garantien kommt den Geschäftsbanken die entscheidende Rolle zu", sagte er. "Dieser Prozess ist sehr bürokratisch, kostet wertvolle Zeit, ist mit zusätzlichen Hürden verbunden - und hat deshalb einen ungewissen Ausgang. Die Gespräche mit der langjährigen Hausbank seien sehr schwierig gelaufen. Auf eine Lösung hätte der Warenhauskonzern in seiner Not aber nicht weitere Wochen warten können.

Führende Insolvenzverwalter halten die Rolle der Hausbanken ebenfalls für problematisch. Das Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) laufe zwar, eine entscheidende Schwachstelle sei aber, dass die Kredite "nur" zu 80 oder 90 Prozent von der KfW abgesichert werden. Es verbleiben 20 beziehungsweise zehn Prozent der Risiken für die nötige Kreditabsicherung bei den jeweiligen Hausbanken. Um diese Risiken zu bewerten, ist üblicherweise ein Sanierungsgutachten vorzulegen. "Die Erarbeitung eines solchen Gutachtens dauert jedoch einige Wochen - in der aktuellen Corona-Krise zu lang, um eigentlich gesunde Unternehmen vor der Insolvenz zu Bewahren", warnte der Gravenbrucher Kreis, ein Zusammenschluss führender, überregional tätiger Insolvenzverwalter.

Die Restrukturierungsexperten empfahlen der Bundesregierung daher in der vergangenen Woche, kurzfristige Zuschüsse oder zu 100 Prozent von der KfW übernommene Sofort-Darlehen direkt an Unternehmen auszuzahlen. Sie plädieren für eine staatliche "Betriebsunterbrechungs-Versicherung", um eine Pleitewelle zu verhindern. Karstadt Kaufhof ist nun das erste große Unternehmen, das in der Corona-Krise unter den Schutzschirm schlüpft, aber es könnten weitere folgen.

Die Bundesregierung weiß um die bedrohliche Lage. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beteuerte in einem Brief an Banken- und Handelsverbände in der vergangenen Woche, alles zu tun, damit das Geld bei denen ankommt, die es brauchen. "Aktuell arbeitet die KfW mit Hochdruck daran, die Verfahren zu beschleunigen und eine unbürokratische und zügige Bearbeitung möglich zu machen", heißt es in dem Schreiben. "So können etwa Kredite für die allgemeine Unternehmensfinanzierung ohne Haftungsfreistellung der Hausbank automatisiert von den Finanzierungspartnern innerhalb von Sekunden bei der KfW eingeholt werden."

Nun zeigt sich, dass die Realität eine andere ist. Und das, obwohl mit dem österreichische Gesellschafter Signa ein finanzstarker Eigentümer im Hintergrund steht. Angeblich hat Signa in den vergangenen Wochen und Monaten mehr als 640 Millionen Euro investiert. Es hat nicht gereicht.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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