Sprache der Notenbanker:"Undurchdringbares Geschwafel"

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Fed-Chefin Janet Yellen, EZB-Präsident Mario Draghi, BoE-Chef Mark Carney (v.li.) sowie (nicht im Bild) Haruhiko Kuroda von der Bank of Japan diskutierten am Dienstag über die richtige Kommunikation. (Foto: Alex Kraus/Bloomberg)

Notenbanker neigen seit jeher dazu, sich besonders kompliziert auszudrücken. Jetzt wollen sie sich bessern.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Es kommt sehr selten vor, dass die breite Öffentlichkeit sofort versteht, was Zentralbanker sagen. Mario Draghi ist es einmal gelungen. Das war im Sommer 2012. Sein Versprechen, die Europäische Zentralbank werde "alles tun", um den Euro zu retten, macht mittlerweile als geflügeltes Wort die Runde. Diesen Satz hatte damals wirklich jeder verstanden. Das Kommunikationsproblem begann am Tag danach. Was würde die EZB alles tun? Und: Darf sie das überhaupt?

Die Macht der Zentralbanken und ihre finanzpolitische Rolle sind im Zuge der globalen Finanzkrise enorm gewachsen. Das hat Unruhe in der Gesellschaft ausgelöst. In Demokratien sind die Parlamente dafür verantwortlich, die finanzielle Stabilität ihrer Staaten zu sichern. Draghi und andere Notenbankchefs stehen daher seit Jahren unter zunehmendem Rechtfertigungsdruck. Sie müssen sowohl ökonomisch, als auch juristisch begründen, was sie tun. Im besten Fall mit einfachen Worten gegenüber den Bürgern und in gewohnt spröder Fachsprache für die Spezialisten an den Finanzmärkten. Schaffen sie das? Wie gut können Notenbanker Kommunikation?

Dazu gab es am Dienstag eine Podiumsrunde der großen Vier: EZB-Präsident Draghi, der Chef der Bank of England, Mark Carney, die amerikanische Notenbankchefin Janet Yellen, und der Präsident der japanischen Notenbank, Haruhiko Kuroda, diskutierten, wie man mit der Welt da draußen am geschicktesten kommuniziert. Das Thema treibt die Währungshüter um. Sie wissen, dass ihre Unabhängigkeit politisch in Frage gestellt werden könnte, wenn die Gesellschaft anfängt, den "Geld-Alchemisten" zu misstrauen, und Vertrauen schafft man am besten, indem man gut erklärt, was man tut.

Die progressive Note dieser Veranstaltung versteht man besser, wenn man ein Vierteljahrhundert zurückschaut. Noch bis in die 1990er-Jahre haben Zentralbanker im Prinzip gar nichts gesagt. Die amerikanische Federal Reserve teilte damals nach ihren Treffen nur lapidar mit: "Das Treffen der Federal Reserve ist beendet." Ob die Leitzinsen verändert wurden, das mussten die Finanzmärkte und die breite Öffentlichkeit selbst herausfinden. "Haltet die Notenbank raus aus der Presse, und die Presse raus aus der Notenbank", war das Mantra der Bank of England in diesen Jahren. Die damals vornehmlich alten Herren des Geldes kultivierten ihre intellektuelle Entrückung durch wichtiges Schweigen in der Öffentlichkeit.

So kam es, dass die Medien und Märkte anfingen, den Gesichtsausdruck des Notenbankpräsidenten zu interpretieren. Manchmal sollte sogar die Farbe der Aktentasche verraten, was in der Sitzung besprochen wurde. Alan Greenspan, der frühere Chef der US-Notenbank Fed, hat mit dieser Mystik auf entwaffnende Weise kokettiert, als er sagte: "Ich weiß, sie denken, dass sie das verstanden haben, von dem sie denken, dass ich es gesagt hätte. Aber ich bin nicht sicher, ob sie merken, dass das, was sie gehört haben, nicht das ist, was ich meinte."

Heutzutage kommen Notenbanker mit diesem Kauderwelsch nicht mehr durch. Die zurückhaltenden Technokraten mussten lernen, mehr zu sagen. Mittlerweile vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein wichtiger Währungshüter eine Rede hält. Einige Notenbanken publizieren ihre Sitzungsprotokolle und machen Pressekonferenzen nach den geldpolitischen Sitzungen. Es gibt Hunderte Seiten lange Reports über die wirtschaftliche Entwicklung der Währungsgebiete und die Wirkungen der Geldpolitik. Transparenz pur - all das richtet sich vor allem an die Finanzmärkte.

Ein falsches Wort, und die Finanzmärkte reagieren panisch

"Es reicht nicht, nur mit den Experten zu kommunizieren", sagte der britische Notenbankchef Carney. Er und seine Kollegen sind oft in Schulen, um in einfachen Worten zu erklären, was sie machen. "Wir brauchen da einen kulturellen Wandel", sagte Carney. Die Maßnahmen der Notenbank müssten auch von den Unternehmen und Haushalten verstanden werden. Die Bank of England formuliert da ein ambitioniertes Ziel. Die " Campaign for Plain English", eine strenge Gruppe von britischen Grammatik-Puristen, bezeichnete das geldpolitische Statement der Notenbank neulich als "undurchdringbares Geschwafel und Fachchinesisch". Immerhin publiziert die Bank of England seit kurzem einen Inflationsreport, der die aktuelle Geldpolitik - gerade für Laien - verständlicher erklären möchte.

Es fällt vielen Notenbankern schwer, sich einfach auszudrücken. Sie kommen meist aus der Wissenschaft, wo der Jargon über Jahre eingeübt wurde. Darüber hinaus möchten Währungshüter Missverständnisse vermeiden. Ein falsches Wort, und die Finanzmärkte reagieren panisch. Für lockere Sprüche ist da kaum Spielraum. Obwohl die Notenbanken mittlerweile sehr viele technische Details publizieren, sind Börsianer oft unzufrieden. "Die Finanzmärkte wollen häufig Informationen, die die Notenbanken nicht bereit sind zu geben", sagte Fed-Chefin Yellen.

Es blieb Draghi vorbehalten, die Grundbedingung guter Kommunikation schonungslos zu benennen: "Es muss Ohren geben, die bereit sind zuzuhören". Fast schien es so, er spielte damit auf seine Kritiker in Deutschland an.

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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