Sportbranche:Journalismus? Nebensache

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Das Swimsuit-Magazin ist eines der journalistischen Produkte von Sports Illustrated. (Foto: Drew Angerer/AFP/Getty)

Die Zeitschrift Sports Illustrated hat einen neuen Eigner. Der interessiert sich vor allem für die Markenrechte.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist erstaunlich, wie das menschliche Gehirn bisweilen funktioniert, und genau deshalb ergibt dieser 110-Millionen-Dollar-Deal tatsächlich Sinn: Authentic Brands, ein auf Monetarisierung von Marken spezialisiertes Unternehmen, hat die Zeitschrift Sports Illustrated gekauft. Es hat jedoch erst einmal kein Interesse am journalistischen Produkt, Magazin und Inhalte für digitale Plattformen werden gegen eine Lizenzgebühr in den kommenden zwei Jahren vom bisherigen Eigentümer Meredith produziert. Was Authentic Brands haben will: Zugang zur Foto-Datenbank mit mehr als zwei Millionen Bildern sowie die Rechte an Begriffen wie "Sports Illustrated", "Sportsperson of the Year" und "Swimsuit Issue".

Alles soll ja eine Marke sein heutzutage, nicht nur Firmen oder Produkte, sondern auch Sportler, Künstler und Instagram-Influencer, deshalb gibt es Champagner mit dem Hello-Kitty-Logo drauf, das Lifestyle-Magazin Boa des Fußballers Jérôme Boateng oder Kosmetik der Bloggerin Dagi Bee. Das Gehirn verleitet den Menschen dazu, Dinge mit bekannten Namen eher zu kaufen, und deshalb soll es künftig von Sports-Illustrated auch Fitnessprogramme, Sportklamotten, Sportmedizin und vielleicht sogar ein Sports-Illustrated-Wettbüro geben.

"Wir wollen das Vermächtnis bewahren und die Marke weltweit neuen Kunden vorstellen", sagt Nick Woodhouse, Marketing-Chef von Authentic Brands, das nicht nur die Markenrechte an Firmen wie dem Bekleidungskonzern Nautica, der Modefirma Juicy Couture und dem Lifestyle-Label Volcom besitzt, sondern auch an Promis wie zum Beispiel Shaquille O'Neal oder bereits verstorbenen Legenden wie Marilyn Monroe, Muhammad Ali oder Elvis Presley.

Sports Illustrated gibt es schon seit 65 Jahren, das Magazin ist über herausragende Geschichten zu einer Institution im amerikanischen Sport und der Popkultur des Landes geworden, zu einer, nun ja: Marke. Es gehörte von Beginn an zum Medienkonzern Time. Und dieser gehört wiederum seit Januar 2018 nach einem 2,8-Milliarden-Dollar-Deal dem Medienkonzern Meredith, der seitdem einzelne Titel feilbietet. Das politische Magazin Time zum Beispiel wurde im September vergangenen Jahres für 190 Millionen an den kalifornischen Milliardär und Salesforce-Gründer Marc Benioff verkauft, die Wirtschaftszeitschrift Fortune ging zwei Monate später für 150 Millionen Dollar an den thailändischen Milliardär Chatchaval Jiaravanon.

Experten hatten für Sports Illustrated zunächst mit einem Preis von mehr als 200 Millionen Dollar gerechnet, doch wie so viele Magazine hat es im Printbereich mit einer schwindenden Auflage (derzeit knapp unter drei Millionen) zu kämpfen und digital mit Konkurrenten wie The Athletic, The Ringer oder die vom ehemaligen Baseballstar Derek Jeter gegründete The Players' Tribune, auf der unter anderem Sportler wie Tiger Woods, Kobe Bryant oder Megan Rapinoe ihre Erfahrungen aus der Ich-Perspektive schildern. Diese digitalen Produkte sind bisweilen näher am popkulturellen Zeitgeist oder haben noch exklusivere Zugänge zu Sportlern, weil die selbst an diesen Plattformen beteiligt sind.

Die Stärke von Sports Illustrated, nach wie vor: Es geht nie darum, wer gewinnt, sondern warum und wie. Um die gesellschaftliche Bedeutung von Sport, das Aufdecken von Skandalen, einzigartige Bilder von Veranstaltungen. Im Februar jeden Jahres gibt es die"Swimsuit Issue": Sportlerinnen wie Steffi Graf, Alex Morgan und Ronda Rousey, Promis wie Beyoncé Knowles und Models wie Heidi Klum, Elle Macpherson oder Tyra Banks sind in Bikinis und Badeanzügen zu sehen. Das kann man für sexistisch halten oder für einen Katalysator der Body-Positivity-Bewegung, in diesem Jahr sind zum Beispiel abgebildet: das muslimische Model Halima Aden in Hijab und Burkini, die Vitiligo-Ikone Winnie Harlow und die 54 Jahre alte Paulina Porizkova, die neben ihrem Foto einen Essay übers Altern in der Modebranche veröffentlicht.

"Der Deal macht Sinn, wenn wir weiter großartigen Journalismus machen und tolle Geschichten erzählen dürfen", schrieb Sports-Illustrated-Chefredakteur Chris Stone in einem Memo an die Mitarbeiter. Die Redaktion könne durch diese klare Trennung weiterhin unabhängig arbeiten und werde nicht zum Sparen gezwungen. Sie scheinen tatsächlich erleichtert zu sein über diesen Nicht-Verkauf, auch wenn niemand darüber reden will, was eigentlich nach Ablauf der Lizenz in zwei Jahren passieren wird. Darüber könne man sich später Gedanken machen, heißt es, und Optimismus ist ja auch eine erstaunliche Eigenschaft des menschlichen Gehirns.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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