Spielzeugindustrie:Die Macht ist mit ihnen

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Spielwarenhändler könnten dieses Jahr Rekordumsätze machen - vor allem dank Lizenzen zu Kinofilmen. Der Erfolg hängt am Weihnachtsgeschäft. Und das wird 2017 besonders hektisch.

Von Christoph Gurk, München

Besinnliche Adventszeit? Von wegen. Für Willy Fischel haben die Wochen vor Weihnachten eher etwas mit Endspurt zu tun als mit Ruhe und Einkehr. Fischel ist der Geschäftsführer des Bundesverbandes Spielwaren, er vertritt all die Läden und Einzelhändler in Deutschland, die Teddys, Puppen, Bausätze und andere Spielwaren verkaufen - und die jetzt, kurz vor Weihnachten, etwa 40 Prozent ihres Jahresumsatzes einfahren müssen.

Wenn alles gut geht, wird der auch dieses Jahr wieder alle Rekorde brechen. 3,2 Milliarden Euro werden die Deutschen dieses Jahr für Spielwaren ausgeben, hoffen Fischel und sein Verband, zwei Prozent mehr als vergangenes Jahr, "2017 wird das vierte Jahr in Folge sein, in dem die Deutschen mehr für Spielzeug ausgeben als im Vorjahr." Doch noch ist eben noch nichts sicher, alles kommt auf das Weihnachtsgeschäft an. "In diesem Jahr ist es besonders spannend", sagt Fischel. "Der 23.12. ist ein Samstag, da gehen viele noch mal Geschenke kaufen." Weil Heiligabend und der vierte Advent aber dieses Jahr auch auf einen Tag fallen, ist die Adventszeit auf drei Wochen verkürzt. "Aber wir sind guten Mutes", sagt Fischel. "Wir glauben an die Kunden".

Und denen geht es gut: Laut einer Schätzung der Gesellschaft für Konsumforschung werden die Deutschen dieses Jahr im Schnitt 278 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Die Konjunktur hält an und wer einen sicheren Arbeitsplatz hat, hofft Fischel, spart nicht bei den Geschenken für seine Kinder, Enkel, Neffen oder Nichten. "Omas, Opas, Tanten und Onkel lassen sich nicht lumpen", sagt Fischel. Dazu kommen veränderte Familienmodelle: Weil die Eltern getrennt sind und sie abwechselnd bei Vater und Mutter leben, haben manche Kinder heute zwei Kinderzimmer und eine doppelte Spielzeug-Grundausstattung. In Patchworkfamilien schenken auch die Stiefeltern und -großeltern, all das kurbelt den Umsatz an. Dazu kommt, dass selbst Erwachsene sich heute gerne Spielzeug kaufen.

Trotzdem: Der Spielwarenmarkt ist unberechenbar. Dieses Jahr haben die "Fidget Spinner" der Branche ein unerwartetes Sommermärchen beschert, die Handkreisel waren ein Trend. Für den Weihnachtshandel versprechen sich Fischel und sein Verband dagegen gute Geschäfte mit neuaufgelegten Klassikern. Unter den Top 10 Spielzeugen, die der BSV jedes Jahr kürt, sind in diesem Jahr nicht nur Plüschtiere, die auf Knopfdruck böse schauen, sondern auch interaktive Spielzeug-Pferde und ferngesteuerte Autos mit Virtual-Reality-Brille. "Spielwaren sind ein Spiegelbild der Gesellschaft", sagt Fischel. Wenn unser Leben also zunehmend technisiert wird und Kinder Eltern mit Tablets und Smartphones sehen, sei es nur logisch, dass auch Spielzeugklassiker mit moderner Technik ausgestattet werden. "Nehmen Sie Drohnen: Die waren vor ein paar Jahren eine Neuheit, heute sind sie fast Klassiker. Das wird mit Virtual Reality auch passieren", erläutert Fischel.

Heute schenken auch Stiefeltern und -großeltern. Patchwork-Familien tragen so zum Boom bei

Hinzu kommt ein weiterer Trend im Markt, von dem sich die Branche auch dieses Jahr gute Gewinne verspricht: Das Lizenzgeschäft. Spielzeughersteller arbeiten dabei mit Filmfirmen oder Comic-Herstellern zusammen. Sie kaufen Lizenzen für Figuren aus Filmen oder ganze Story-Universen; zu jedem Kinderfilm gibt es heute die passenden Action-Figuren, Puzzles und Bausets. Sogar die Firma Playmobil, die sich bislang gegen das Lizenzgeschäft gewehrt hatte, bringt dieses Jahr eine Produktreihe zu den Dream Works Trickfilmen "Drachen zähmen leicht gemacht" heraus. "Für viele Hersteller lohnt es sich, Geld für Lizenzen auszugeben", sagt Fischel "Sie profitieren dadurch von der Bekanntheit eines Films". Andersherum ist das Spielzeug in den Läden und Kinderzimmern Werbung für den Film. Kritiker sagen, dass dieses Lizenzgeschäft die Fantasie der Kinder einenge. Fischel sieht das anders: "Kinder gehen mit Spielzeug ganz anders um als wir. Sie ordnen ihm neue Bedeutung zu und fügen es in ihre Welt ein, nicht andersherum." Letztendlich scheinen das auch die Eltern so zu sehen - Kritik hin oder her. Denn zumindest für die Kinder bis zum Grundschulalter entscheiden sie, welches Spielzeug verschenkt wird. Und oft sind das eben Star Wars Lego oder Puzzles zum Minion Film.

Die Aussichten für die Branche sind jedenfalls gut, trotz Unwägbarkeiten. Dazu trägt auch bei, dass Deutschland derzeit einen anhaltenden Babyboom erlebt. So meldet das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen für 2016 ein neues Geburtenhoch von 792 000 Kindern. Das sind 7,4 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Viele Kinder also, die viel Spielzeug wollen. Das könnte den Umsatz weiter antreiben, glaubt man beim BSV. Oder anders gesagt: Auch die nächsten Jahre wird es für Fischel und deutsche Spielwarenhändler keine besinnliche Weihnachtszeit geben.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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