Spielzeug:Wenn Kinder Bauklötze staunen

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Bei vielen zeitgenössischen Spielen geht es längst nicht mehr um den pädagogischen Nutzen, sondern nur noch um Lizenzgebühren und Umsatzzahlen.

Martin Zips

Im Zenit seines Ruhms, erzählte einmal der heute 84 Jahre alte britische Schauspieler Geoffrey Bayldon, hätten sich diverse Londoner Medienschaffende überlegt, aus seiner Beliebtheit Profit zu schlagen. Schließlich kannte fast jedes Kind in den Siebzigern Bayldon als liebenswerten Fernseh-Magier "Catweazle". Wo immer er auftrat, war er von Kindern umringt.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Sortiment deutscher Spielwarenläden mehr als verdoppelt. (Foto: Foto: ddp)

So einer musste vermarktet werden. Vermarktung bedeutete in den Siebzigern: Ein Foto auf der Cornflakes-Packung, ein Titelbild auf einer Programmzeitschrift. Das war's. Die Postkarten, für die sich Bayldon mit angeklebtem Bart ablichten ließ, wurden nie gedruckt. Ist das nicht unprofessionell? Heute würden sich Bataillone von Catweazle-Fan-Artikeln im Spielzeugladen finden: Puppen, PC-Games, Zauberkästen, Brettspiele. Zumindest für den Fall, dass die Marketingstrategen nicht schon frühzeitig den Daumen über eine TV-Serie mit einem Zauberer in Lumpen gesenkt hätten.

Glatte Charaktere

An Catweazles Stelle sind heute eher glatte Charaktere getreten: Prinzessin Lillifee zum Beispiel, Bob der Baumeister oder Hello Kitty. Mit ihren Konterfeis bedruckte Spielwaren füllen die Regale der Spielzeugmärkte - ein Millionengeschäft. Der pädagogische Nutzen ist zweitrangig, es geht um Lizenzgebühren und Umsatzzahlen. Masse verdrängt Qualität. Gab es früher noch Puzzles, die künstlerisch richtig anspruchsvoll waren, lassen sich die heutigen Puzzleteile meist nur zu langweiligen Abbildungen mehr oder minder beliebter Animationsfilmhelden zusammenfügen.

Man findet auch kaum ein Spielzeugauto, das nicht im Design der Kinoknüller "Cars" oder "Transformers" daherkommt, zumindest aber das Batman-Logo auf der Motorhaube trägt. Das Kinderparadies ist in riesigen Flachbauten der Industriezonen großer Städte zu Hause.

Erwachsene, die sich früher über einen schlichten Satz Bauklötze zu Weihnachten freuten, sehen sich hier mit der Frage konfrontiert, ob der Nichtkauf eines "Robosapien" ("10.000 individuell programmierbare Bewegungsabläufe, sieben Motoren") die eigenen Kinder zu gesellschaftlichen Außenseitern machen könnte. Zudem sollten Eltern wichtige Details kennen. Zum Beispiel, dass die "Thomas"Diesel-Lok ein eher unangenehmer Typ - und daher bei Kindern unbeliebt ist.

Zahlreiche Produktreihen

Spiele seien "Grundlage, Keimzelle und Promoter der Kultur" - so hatte es der Kölner Symbolforscher Manfred Lurker einmal ausgedrückt und hinzugefügt, dass dies vor allem für "zweckfreie Spiele" gelte. Welches Spielzeug ist heute noch zweckfrei? Dienten Plastiksteine einst dazu, eigene Phantasiewelten zu entwickeln, so sorgen katalogdicke Bauanleitungen im Jahr 2008 dazu, jedwede kreative Eigenleistung zu ersticken. Beim maßstabgetreuen Nachbasteln der Star-Wars-Filmkulisse darf eben nichts dem Zufall überlassen bleiben. Sonst könnte es für den Hersteller beim nächsten Mal Lizenz-Probleme geben.

Alles wird komplizierter: In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Sortiment deutscher Spielwarenläden mehr als verdoppelt. Bei der alten deutschen Firma Fischer-Technik finden sich mittlerweile die unterschiedlichsten "Produktreihen": Junior, Basic, Advanced, Profi, Computing.

Und wer sich eine Märklin-Eisenbahn kauft, sollte auf die "Central Station 60213" nicht verzichten. Sie steuert 16 Lokomotivfunktionen und ist durch ihre Ethernet-Schnittstelle netzwerktauglich. Kann aber auch sein, dass man sich am 24.Dezember vor lauter herumfliegenden Indoor-Helikoptern (noch so ein Trend) gar nicht mehr ins Wohnzimmer traut.

Käthe Kruse (1883-1968) bastelte ihre erste Puppe aus einer Kartoffel und einem mit Sand gefüllten Handtuch. Ihr Ehemann Max mochte keine Puppe für die Kinder kaufen: "Wie kann man mit so einem harten, kalten und steifen Ding mütterliche Gefühle wecken?", soll er gesagt haben. "Macht euch selber welche".

© SZ vom 19.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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