Spielwarenmesse Nürnberg:Die Fabrik China

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Die schnelllebige Spielwarenbranche interessiert sich hauptsächlich dafür, wo möglichst billig möglichst schnell produziert werden kann. Die menschenunwürdigen Produktionsbedingungen in China sind da häufig nachrangig.

Uwe Ritzer

Vor zwei Jahren schmetterte ein Trompeter den Besuchern der Spielwarenmesse ein ironisches ,,Congratulations'' entgegen, und 2006 tanzte eine als Drache verkleidete Gruppe Jugendlicher vor dem Haupteingang des Nürnberger Messezentrums.

Arbeiterinnen montieren beim chinesischen Hersteller Huawei Puppen zusammen. (Foto: Foto: dpa)

,,Damit wollten wir den Fokus auf China richten'', sagt Jürgen Bergmann. Dort werden heute 80 Prozent aller weltweit verkauften Spielwaren hergestellt. Kaum ein nennenswerter Markenhersteller, der nicht dort produzieren lässt oder zumindest Teile von dort bezieht.

,,Eigentlich wollen die Verbraucher kein mit Blut und Tränen hergestelltes Spielzeug'', glaubt Bergmann, Referatsleiter bei der ,,Mission Eine Welt'' der bayerischen evangelischen Landeskirche. Eigentlich. Denn Wunsch und Wirklichkeit klaffen krass auseinander.

Für Außenstehende abgeriegelt

Die Zustände in den für Außenstehende abgeriegelten chinesischen Zulieferfabriken haben überhaupt nichts gemein mit der schönen, bunten Spielewelt, welche die Branche von diesem Donnerstag an sechs Tage lang bei ihrer weltgrößten Messe künstlich zelebriert.

Menschenrechtler berichten von chinesischen Arbeitern, die in der Hauptsaison bis zu sieben Mal die Woche täglich 15 Stunden schuften, dafür Löhne weit unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Minimum erhalten und natürlich keine Überstundenzuschläge. Von Arbeitsschutz oder sozialen Leistungen gar nicht erst zu reden.

Uwe Kleinert von der Heidelberger ,,Werkstatt Ökologie'' und Sprecher der bundesweiten ,,Aktion fair spielt'' schätzt, dass zwischen zweieinhalb und drei Millionen Menschen in der chinesischen Spielwarenindustrie arbeiten.

Insider schauen weg

,,Die Missstände dort sind enorm und für Außenstehende kaum zu überblicken.'' Die sie genau kennen, schauen weg. Denn die angesichts von kürzeren Produktzyklen schnelllebigere Spielwarenbranche interessiert sich hauptsächlich dafür, wo möglichst billig möglichst schnell produziert werden kann.

Die Weltöffentlichkeit nahm von den Zuständen erstmals vor zehn Jahren Notiz, als im thailändischen Bangkok und im chinesischen Shenzen zwei Fabriken niederbrannten. 250 Menschen kamen dabei zu Tode. Den meisten wurde zum Verhängnis, dass ihre kargen Schlafplätze im selben engen Gebäude untergebracht waren wie die Produktionsstätte und das Lager.

Die wichtigen Spielwarenverbände versprachen damals, das Thema offiziell auf ihre Tagesordnung zu setzen. Doch getan hat sich nur wenig.

Kodex

Erst 2001 brachte der International Council of Toy Industries (ICTI), der Weltverband der Spielzeugindustrie, einen Kodex mit Mindestanforderungen auf den Weg.

Es dauerte weitere zwei Jahre, bis man daran ging, ihn auch umzusetzen. Der Kodex verbietet Kinderarbeit, verlangt von den Firmen die Zahlung gesetzlicher Mindestlöhne und die Einhaltung der vorgeschriebenen Arbeitszeiten, sowie Überstundenvergütungen, Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft, Arbeitsschutzmaßnahmen und die Möglichkeit, Betriebsräte zu bilden.

In der Praxis erweist sich dieser ICTI-Kodex bislang weitgehend als Farce. Von den offiziell 8500, vermutlich aber in Wirklichkeit über 10.000 chinesischen Spielwarenproduzenten ließen sich Uwe Kleinert zufolge bislang lediglich 600 nach diesem Kodex zertifizieren.

Kontrollmechanismen greifen nicht

Wobei die Firmen ihren Prüfer selbst aussuchen dürfen und dieser nur nach vorheriger Absprache kommt. Als der ICTI kürzlich zum ersten Mal unangemeldete Kontrolleure losschickte, trafen diese bei zwei Dutzend Kontrollen von bereits zertifizierten Herstellern keinen einzigen, der sich vollständig an die Vorgaben hielt.

Dennoch konstatieren Menschenrechtler wie Uwe Kleinert auch ,,Fortschritte, die man nicht außer Acht lassen darf.'' Große Markenhersteller, aber auch manche Handelsketten sorgen sich zunehmend um ihr Image. Weshalb etwa die Branchenführer Mattel oder Hasbro ihren Zulieferern bisweilen sogar Vorgaben machen, die über jene von ICTI hinausgehen.

Insgesamt aber ist die Spielwarenindustrie stark geprägt von mittleren und kleinen Unternehmen, ,,die selbst wenn sie wollen, auf ihre ungleich stärkeren und größeren Zulieferer kaum Druck ausüben können'', wie Volker Schmid sagt, Geschäftsführer im Deutschen Verband der Spielwaren-Industrie (DVSI). ,,Die Chinesen sagen: Dann geh' halt woanders hin.''

Das Problembewusstsein wächst

Schmid ist schon froh, dass von den DVSI-Mitgliedsfirmen wenigstens ein Viertel von ihren chinesischen Zulieferern die Einhaltung des ICTI-Kodex einfordern, Tendenz steigend. ,,Das Problembewusstsein wächst ständig'', sagt Schmid.

Jürgen Bergmann macht die Gegenrechnung auf: Mehr als die Hälfte der DVSI-Mitgliedsfirmen hat bislang noch nicht einmal offengelegt, ob sie aus chinesischen Fabriken beliefert werden. Er spricht von ,,Halbherzigkeit und Profitsucht auf allen Ebenen'' der Spielwarenbranche.

Es gibt aber auch einzelne positive Ausnahmen. So lässt Playmobil seine Plastikmännchen ausschließlich in Deutschland und auf Malta herstellen. Insgesamt aber wird weit mehr als die Hälfte des hierzulande verkauften Spielzeugs aus China importiert.

Unangemeldete Kontrollen

Dort wird sich die Lage nach Einschätzung von Menschenrechtler Kleinert erst bessern, ,,wenn unangemeldete und scharfe Kontrollen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sind.'' Oder aber, wenn immer mehr Verbraucher beim Einkauf auf sauberes Spielzeug in jeder Hinsicht drängen.

© SZ vom 01.02.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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