Mit "Spec Ops: The Line" präsentieren die deutschen Spieleentwickler von Yager Development laut Eigenwerbung einen "intelligenten Militär-Shooter". Doch welche Botschaft kann ein Spiel vermitteln, dessen Hauptziel es ist, Gegner zu erschießen? Ein Spielbericht. Asche fällt wie Schnee vom Himmel, während ein Soldat sich einen Weg durch das brennende Chaos bahnt. In unerträglicher Langsamkeit passiert er verkohlte Körper - ob Freund, Feind oder Zivilist lässt sich in den Wirren der modernen Kriegsführung nicht mehr eindeutig entscheiden. Schuld an dem Massaker ist aber nicht irgendeine fremde Besetzungsmacht, sondern der amerikanische Soldat Captain Martin Walker und sein Team. Im Militärshooter Spec Ops: The Line schlüpft der Spieler in dessen Rolle und wird auch gleich gezwungen, weißen Phosphor gegen seine Feinde einzusetzen - ganz klinisch, per Fernsteuerung. Doch im Gegensatz zum Drohneneinsatz der amerikanischen Armee muss der so geräumte Korridor anschließend vom Spieler selbst durchschritten werden.
Das ist Teil der Mission, auf die Walker und seine zwei Delta Operators geschickt wurden. Sie sollen ins Herz von Dubai - das von Sandstürmen verwüstet wurde - um dort Colonel Konrad und seine 33. Division zu finden. Dem Colonel missglückte die Evakuierung Dubais; er bleibt vermisst. Die Handlung des Spiels basiert auf Joseph Conrads Roman Herz der Finsternis, der auch für Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm Apocalypse Now Pate stand.
Die Spielmechanik folgt dem Prinzip des Deckungs-Shooters, bei dem jegliche Art von Hindernis genutzt werden kann, um den Gegner aus sicherer Entfernung mit einem Arsenal realistischer Waffen auszuschalten. Im Vergleich zum Klassenprimus, der Trilogie Gears of War, spielt sich Spec Ops: The Line etwas holperig. Dafür legt die deutsche Produktionsfirma Yager das Augenmerk auf Story und atmosphärisches Setting.
Das Dubai in Spec Ops: The Line gleicht einer Geisterstadt: Heruntergekommene Wolkenkratzer und Swimmingpools voller Sand verweisen auf den einstigen Reichtum der arabischen Metropole. Die Stimmung im Spiel wird auch durch den Soundtrack getragen. Der Radioman - eine direkte Referenz auf Dennis Hoppers Rolle in Apocalypse Now - begleitet das ständige Geschieße mit seinen Sprüchen und seiner Musikauswahl: "Star Spangled Banner" von Jimi Hendrix, "Hush" von Deep Purple und "Nowhere to Run" von Martha Reeves and the Vandellas. Doch wie laut auch immer die Protestsongs aus den Lautsprechern wummern, der Krieg geht weiter. Die Option, die Waffe einfach friedlich niederzulegen, bietet Spec Ops: The Line dem Spieler in keiner Situation an.
Je tiefer der Spieler ins Herz der Finsternis vordringt, desto mehr sehnt er sich dem Ende entgegen. Neben den ewigen Feuergefechten werden ihm auch noch moralische Entscheidungen abverlangt: Soll ein Schuldiger bei lebendigem Leibe verbrennen oder erlöst man ihn mit der letzten Kugel? Leider hat die Wahl keinerlei Auswirkungen. Nur die kleine Dreiergruppe droht an jeder weiteren Herausforderung ein bisschen mehr zu zerbrechen.
Während andere Shooter zwischen den Actionsequenzen langsame Passagen einbauen, um den Spieler mit Informationen zu versorgen und ihm eine Verschnaufpause zu gönnen, wird ihm genau diese von den Gamedesignern hier verwehrt. Sie nutzen die Abschnitte, um dem Spieler die Gräueltaten der Beteiligten ungeschönt zu zeigen.
Die Entwickler von Yager haben das Genre "Shooter" nicht neu erfunden, doch haben sie einen Schritt in die richtige Richtung unternommen, hin zu einer längst überfälligen Entwicklung. Während die meisten amerikanischen Spiele, wie beispielsweise Gears of War, nur darum bemüht sind, ein möglichst böses Feindbild aufzubauen, das bekämpft werden muss, hinterfragt Spec Ops: The Line den Sinn von Gehorsam und moralischen Entscheidungen. Es zwingt den Spieler nicht nur zu Töten, sondern auch die Toten aus der Nähe anzusehen, ihm vor Augen zu führen, was er getan hat. Wenn Apocalypse Now ein Antikriegsfilm ist, dann ist Spec Ops: The Line ein Antikriegsshooter.