Spesen:Die Firma zahlt's ja

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Kommunale Versicherer sind eigentlich für ihre Langeweile und nicht für Exzesse bekannt. Jetzt hat ein Bus-Versicherer aber fristlos Vorstände entlassen: Die Chefs reisten und speisten luxuriös auf Unternehmenskosten.

Von Herbert Fromme

Kaum etwas in der Versicherungsbranche ist konservativer, manche sagen langweiliger, als die Kommunalen Schadenausgleiche. So heißen die Selbsthilfeeinrichtungen von Städten und Gemeinden, die sich darüber gegenseitig versichern. Sie arbeiten mit minimalem Kostenaufwand, orientieren sich an den kommunalen Standards für Gehälter und sind Lichtjahre von den Exzessen mancher privater Gesellschaften mit schlüpfrigen Incentive-Reisen und hohem Marketing-Aufwand entfernt.

Doch ausgerechnet bei einer solchen Einrichtung ist jetzt das passiert, was in der deutschen Versicherungsbranche eigentlich nie passiert: Bei den kommunalen Busversicherern HDN und HDNA in Bochum wurden der Chef und sein Stellvertreter wegen angeblicher Misswirtschaft "fristlos aus allen ihren Funktionen und Dienstverhältnissen abberufen beziehungsweise entlassen".

Das teilen jedenfalls André Neiß und Ulf Lange per Schreiben vom 14. Februar 2017 den erstaunten Mitgliedern und Kunden der Selbsthilfeeinrichtungen mit. Neiß ist Vorsitzender der Haftpflichtgemeinschaft Deutscher Nahverkehrs- und Versorgungsunternehmen (HDN) und im Hauptberuf Chef des Hannoveraner Nahverkehrsbetriebs Üstra. Ulf Lange sitzt dem Aufsichtsrat der Schwesterfirma Haftpflichtgemeinschaft Allgemeine (HDNA) vor. Er war bis 2009 Vorstand bei der Hamburger Hochbahn und ist jetzt im Ruhestand.

Beide Unternehmen versichern vor allem Busse - HDN als Kommunaler Schadenausgleich übernimmt nur Fahrzeuge öffentlicher Anbieter, HDNA auch die von privaten Firmen. Beide werden von derselben Verwaltung geführt, auch das Management ist weitgehend identisch. Der Umsatz dürfte 70 Millionen Euro kaum übertreffen, Zahlen veröffentlicht der HDN nicht.

Fragt sich, warum angeblich jahrelang niemand etwas mitbekommen hat

Es gehe um Reisekosten und Spesenabrechnungen - mehr will Uwe Schäfer nicht sagen, der weiter in der Geschäftsführung beider Unternehmen sitzt. Doch die Vorwürfe müssten sich schon auf ordentliche Beträge beziehen, wenn denn die fristlose Kündigung durch den Aufsichtsrat begründet sein sollte.

Offenbar war es auch mit dem Betriebsklima in Bochum nicht zum Besten bestellt. "Bitte seien Sie versichert, dass es unser Ziel ist, neben der vorbehaltslosen und vollständigen Aufklärung auf eine nachhaltige und dauerhafte positive Veränderung der Unternehmenskultur hinzuwirken", schreiben Neiß und Lange.

Übersetzt: Die Stimmung im Laden war desolat. Aber gleichzeitig haben die Chefs großzügig auf Firmenkosten getafelt und sind exklusiv gereist, wirft ihnen der Aufsichtsrat vor. Wahrscheinlich haben Mitarbeiter "konkrete Hinweise" an die Aufsichtsgremien weitergegeben. "Aufgrund der vorliegenden Tatsachen und zur Abwendung weiteren Schadens" seien die beiden Herren dann fristlos entlassen worden, heißt es im Schreiben der Aufsichtsratsspitze.

Jetzt sollen eine spezialisierte Anwaltskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Vorgänge im Detail aufklären. Aufgeklärt werden muss wohl auch, warum die Aufsichtsgremien von den Vorgängen jahrelang nichts mitbekommen haben. Eine Strafanzeige sei bislang nicht gestellt worden, sagt Schäfer.

Am 22. Juni wollen die Aufseher Neiß und Lange den Mitgliedern von HDN und HDNA ausführlich Bericht erstatten. Ein eher turbulenter Sitzungsverlauf bei der sonst so ruhigen und harmonischen Veranstaltung dürfte wohl garantiert sein.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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