Sozialversicherer:Aktien für Krankenkassen

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Die Nullzinspolitik kostet Sozialversicherer Rücklagen. Die Regierung will nun Krankenkassen erlauben, 20 Prozent in Aktien anzulegen.

Von K. Ludwig, H. Roßbach, Berlin

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank sorgt bei den deutschen Sozialversicherungen für Verluste. Die Krankenkassen der AOK haben beispielsweise im ersten Halbjahr 2018 bereits rund sechs Millionen Euro durch Negativzinsen verloren. Und auch der Gesundheitsfonds, in den alle gesetzlichen Krankenversicherungen Geld einzahlen, wies im vergangenen Jahr rund 4,5 Millionen Euro Minuszinsen aus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will mit einem neuen Gesetz nun Krankenkassen, Unfallversicherungsträgern und der Sozialversicherung für Landwirtschaft ermöglichen, dass sie 20 Prozent der Altersrückstellungen ihrer Mitglieder in Aktien anlegen können. Bislang waren nur 10 Prozent erlaubt.

Doch beim AOK-Verbund, der mit mehr als 25 Millionen Menschen die meisten Versicherten in Deutschland versorgt, wird diese Änderung nichts an den Minuszinsen ändern. Die Zinsverluste entstehen gar nicht bei den langfristigen Rücklagen, sondern bei den Betriebsmitteln, die Monat für Monat auf die Konten der Krankenkassen fließen und kurze Zeit später wieder ausgegeben werden. Hier verschlechterten sich die Konditionen der Banken immer weiter, heißt es von der AOK. Auch der Gesundheitsfonds muss das Geld der Versicherten als kurzfristige Termingeldanlage sichern und bekommt deshalb Zinsprobleme.

Anderen Sozialversicherungen geht es ähnlich. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht derzeit davon aus, dass sie das laufende Jahr mit einem Überschuss von 5,3 Milliarden Euro abschließen wird. Die gesamten Rücklagen der Nürnberger Behörde lägen dann am Jahresende bei 22,5 Milliarden Euro. Anlegen darf auch die BA ihre Reserven nur konservativ; sie arbeitet zudem nur mit inländischen Banken zusammen, die unter die deutsche Einlagensicherung fallen. Angelegt wird in jederzeit verfügbare Tagesgelder, in terminierte Tagesgelder mit kurzen Laufzeiten und in sogenannte Kündigungsgelder, für die kurzfristige Kündigungsfristen gelten.

Die Bundesagentur für Arbeit hat viel auf der hohen Kante

Gemessen am Niedrigzinsumfeld ist die Bundesagentur im vergangenen Jahr damit noch einigermaßen gut gefahren: Insgesamt musste sie nur knapp 27 000 Euro Negativzinsen bezahlen. Unterm Strich warfen die angelegten Rücklagen von 17,2 Milliarden Euro noch 4,7 Millionen Euro positive Zinsen ab - eine Rendite von ganz knapp über null Prozent. Dieses Jahr sind nach Angaben der BA bislang erst 2500 Euro an Negativzinsen angefallen.

Bei der Deutschen Rentenversicherung heißen die finanziellen Reserven "Nachhaltigkeitsrücklage". Anders als bei den anderen Sozialversicherungen gibt es allerdings eine feste Regel, was bei besonders hohen Reserven passiert: Wenn sie auf mehr als 1,5 Monatsausgaben steigen, muss der Beitragssatz sinken. Nach Angaben der Rentenversicherung lag die Nachhaltigkeitsrücklage Ende Juli bei etwa 34 Milliarden Euro, das waren 1,59 Monatsausgaben. Weil die Bundesregierung aber ein Rentenpaket beschlossen hat, das zu höheren Ausgaben führen wird, fällt die Entlastung dieses Mal aus.

Auch die Rentenversicherung ist stark eingeschränkt in ihren Möglichkeiten, überschüssiges Geld anzulegen. Die Nachhaltigkeitsrücklage werde "weit überwiegend" in Form von Termingeldern mit höchstens zwölf Monaten Laufzeit angelegt, sagt ein Sprecher. Das Sozialgesetzbuch verbietet beispielsweise die Anlage in Aktien. Renditetechnisch ist mit dieser Strategie natürlich nichts zu holen. "Die Kreditinstitute bieten in dem Anlagehorizont bis zwölf Monate inzwischen weit überwiegend nur noch eine negative Verzinsung an", sagt der Sprecher. Das Ergebnis: Für dieses Jahr geht die Rentenversicherung von einem Minus von rund 49 Millionen Euro aus. Sie verweist aber darauf, dass die Gesamtausgaben dieses Jahr bei rund 303 Milliarden Euro liegen werden. Mit nur 0,017 Prozent hätten die Negativzinsen daran also nur einen sehr kleinen Anteil.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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