Sozialstaat:Raus aus der Hartz-IV-Falle

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Eine Reinigungskraft in einem Berliner Veranstaltungssaal: Wann lohnt sich die Mühe? (Foto: Jens Schicke/imago)

Viele Menschen stecken in der staatlichen Grundsicherung fest. Das lässt sich ändern, meinen Forscher des Münchner Ifo-Instituts. Mehr zu arbeiten, soll sich mehr lohnen.

Von Thomas Öchsner, München

"Wir müssen immer darauf achten, dass derjenige, der arbeitet mehr hat, als wenn er nicht arbeiten würde", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Fachleute sprechen hier vom Lohnabstandsgebot. Doch hält sich der Sozialstaat immer daran? Lohnt es sich für einen Hartz-IV-Empfänger, einen Vollzeitjob aufzunehmen? Oder bleibt nach Abzug von Sozialabgaben und Steuern so wenig zusätzlich übrig, dass die Arbeit nicht der Mühe wert ist?

Das Münchner Ifo-Institut hat im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung analysiert, was es bringen würden, die Anreize für die Aufnahme einer Arbeit zu erhöhen. Das Ergebnis ist eindeutig: Gäbe es innerhalb der staatlichen Grundsicherung bessere Regelungen für den Hinzuverdienst, würde dies nicht nur das Einkommen der Hartz-IV-Haushalte erhöhen. Dies könnte auch "zu weniger Armut und Ungleichheit führen".

Bislang läuft im Sozialstaat noch vieles schief: Im internationalem Vergleich sind die Arbeitnehmer hierzulande besonders stark mit Steuern und Sozialabgaben belastet, hier ist Deutschland im negativen Sinne spitze. Ob Wohngeld, Kindergeldzuschlag oder Hartz IV - für Sozialleistungen sind verschiedene Ministerien und Behörden zuständig. Das führt immer wieder zu absurden Gesamtwirkungen. Heftig kritisiert werden seit langem auch die Hinzuverdienstregeln für Hartz-IV-Empfänger. Diese erlaubten es, anrechnungsfrei 100 Euro pro Monat hinzu zu verdienen; Haushalte mit Kleinstjobs hätten daher finanziell "kaum etwas davon, ihre Arbeitszeit auszuweiten und somit ihr Bruttoeinkommen zu erhöhen", heißt es in dem Gutachten des Ifo-Instituts. Diese Haushalte erhielten "von einer Lohnerhöhung von 100 Euro nur 20 Euro".

Vor allem Geringverdiener mit mehreren Kindern stecken lange in der Grundsicherung fest

Das Problem spiegelt sich auch bei den 1,2 Millionen sogenannten Aufstockern wider, die trotz eines Jobs auf Hartz IV angewiesen sind. Die meisten von ihnen haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit einen Minijob oder einen kleinen Teilzeitjob. Außerdem gibt es "Tarnkappen-Verträge" in der illegalen Schattenwirtschaft: Man hat offiziell einen Minijob, verdient aber darüber hinaus schwarz Geld dazu. Bereits frühere Untersuchungen des Ifo-Instituts haben gezeigt: Vor allem Geringverdiener mit mehreren Kindern kommen nur schwer aus der Hartz-IV-Falle wieder heraus.

Die Ifo-Forscher Maximilian Blömer und Andreas Peichl rechneten nun am Beispiel verschiedener Haushaltstypen und Reformmodelle durch, was passiert, wenn eine Ausweitung der Arbeitszeit belohnt wird und der Sozialstaat Minijobs und Kleinstjobs weniger stark begünstigt. Die Folgen sind überwiegend positiv: Hartz-IV-Empfänger sind weniger auf die Grundsicherung angewiesen. Ihr Haushaltseinkommen steigt. Da mehr Menschen, vor allem Frauen, einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob annehmen würden, käme auch mehr Geld in die Kassen der Kranken- und Rentenversicherung.

Ein Anfang ist immerhin schon gemacht: Von Anfang Juli an müssen Geringverdiener mit einem Einkommen oberhalb von 450 bis 1300 Euro verringerte Sozialversicherungsbeiträge zahlen - ohne dass dies zu niedrigeren Rentenansprüchen führen soll.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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