Soziale Gerechtigkeit:Wie man Armut zementiert

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Umverteilung löst die sozialen Probleme in Deutschland nicht. Mit neuen Arbeitsplätzen dagegen kann die Armut bekämpft werden.

Alexander Hagelüken

Und wieder gibt es neue Zahlen, die zeigen, dass Not im reichen Deutschland zum Problem wird. Jedes achte Kind ist von Armut bedroht, meldete vergangene Woche Arbeitsminister Olaf Scholz. Seine Kabinettskollegin Ursula von der Leyen sieht nun sogar jedes sechste Kind in prekären Lebensumständen. Ganz gleich, welcher Statistik man glaubt: Es lässt sich kaum bestreiten, dass die Gesellschaft nach Jahren des Jobabbaus, stagnierender Reallöhne und wachsender Gewinne auseinanderdriftet.

Jedes achte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht - sagt Arbeitsminister Olaf Scholz. (Foto: Foto: ddp)

Die Frage ist nur, was daraus folgen sollte. Am Montag hob mal wieder ein Chor professionell Besorgter an, der eine einfache Antwort weiß: mehr Geld für die Armen - durch mehr Umverteilung. Kirchenvertreter fordern ein höheres Kindergeld, der Sozialverband VdK will Hartz-IV-Empfänger besserstellen und so fort. Als müsste nur ein neuer Robin Hood kommen, den Reichen nehmen, um den Armen zu geben, und alles wäre gut. Die Realität ist leider komplizierter. Schlichte Umverteilung könnte den ärmeren Bürgern sogar mehr schaden als nützen.

Die erste Schwierigkeit besteht darin, dass sich der Staat das Geld beschaffen muss, das er zusätzlich verteilt. Er holt es sich in der Regel stark von denen, die sich am wenigsten wehren können. Das sind nicht die Konzerne, die Gewinne verlagern können. Es sind nicht die Reichen, die ihr Vermögen durch Stiftungen und andere Konstruktionen schützen können.

Umverteilung mit Bedacht

Es sind kleinere Firmen, Facharbeiter und Lehrer, die dem Zugriff des Steuer- und Abgabenstaates voll ausgeliefert sind. Jede neue Verteilungsrunde nimmt ihnen etwas weg, mindert ihre Leistungskraft - und verkleinert damit das Wirtschaftsprodukt, aus dem alle öffentlichen und privaten Ausgaben finanziert werden müssen, auch Transfers an die Ärmeren.

Historische Vorbilder für die Sagenfigur Robin Hood haben dagegen gekämpft, die Bürger mit dreisten Steuern zu schröpfen. Daher darf man annehmen, dass sich ein moderner Bogenschütze nicht nur der Armen erbarmen würde, sondern auch heutiger Normalverdiener, die sich am Arbeitsplatz reinhängen, ehrlich Steuern zahlen und Kinder in die Welt setzen, ohne die die Rentenkassen Konkurs anmelden müssten.

Wenn der Staat mehr umverteilen will, sollte er es mit Bedacht tun - und vor allem überlegen, wofür er das Geld ausgibt. Reine Finanztransfers machen ärmere Menschen zum Objekt, sie verändern ihr Einkommen, aber nicht unbedingt ihre Chancen darauf, langfristig für sich selbst sorgen zu können. Mancher Transfer hat trotzdem seine Berechtigung, das zuletzt von Rot-Grün 2002 deutlich erhöhte Kindergeld etwa, das Millionen Familien hilft.

Mehr Arme als nötig

Doch wenn Armutsbekämpfung bei solchen Zuschüssen verharrt, wird sie ihr Ziel verfehlen. Es bedarf einer umfassenderen Politik. Geht man die betreffenden Gebiete durch, wird schnell klar, dass Deutschland im internationalen Vergleich Defizite hat. Und deshalb mehr Arme als nötig.

In der Bundesrepublik ist der Bildungsabschluss stark vom Einkommen der Eltern abhängig, eine Verbindung, die unsere Nachbarn so nicht kennen - Bildungsmangel macht arm. Die Bundesrepublik scheute sich lange vor der Integration von Einwanderern, auch vor sanftem Druck auf die Neuankömmlinge, die Sprache zu lernen - jedes dritte Migrantenkind ist von Armut bedroht. Und die Bundesrepublik weigerte sich aus konservativer und kirchlicher Verbohrtheit, Müttern günstige Kinderbetreuung anzubieten - 40 Prozent aller Sprösslinge von Alleinerziehenden gelten als arm.

Diese Beispiele zeigen schon, dass Finanztransfers die Probleme nicht lösen und reine Umverteilung als Armutspolitik versagt. Ministerin von der Leyens neuer Report zeigt, dass die beste Versicherung gegen den sozialen Abstieg ein Arbeitsplatz ist. Wenn beide Eltern arbeiten, und sei es in Teilzeit, sind ihre Kinder gut versorgt. Die rot-grünen Reformen, die Arbeitslosen mehr abverlangten, aber dafür Millionen Jobs schaffen halfen, waren also effektive Armutspolitik. Auch wenn Umverteilungsideologen dies bestreiten werden.

© SZ vom 27.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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