Sono Motors in der Krise:Letzte Ausfahrt

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Bei der Präsentation glänzt es, aber in der Praxis wirkt das Auto noch ein wenig zusammengebastelt. (Foto: Robert Haas)

Das Münchner Start-up Sono Motors wollte besondere Autos bauen: Solarzellen auf der Karosserie sollten das Fahrzeug laden. Doch der Firma droht das Aus, es würde schon wieder ein E-Auto-Start-up treffen. Die Gründer sehen nur noch eine Chance.

Von Christina Kunkel, München

Zumindest in der virtuellen Realität gibt es ihn schon, den perfekten Sion. Ein Elektroauto, eingekleidet mit Solarzellen, so geschickt in die schwarz-glänzende Außenhaut integriert, dass sie darin quasi verschwinden. Doch setzt man die Virtual- Reality-Brille ab, steht man im Eingangsbereich des Münchner Start-ups Sono Motors nur vor einem unperfekten Prototypen. Alles wirkt ein bisschen zusammengebastelt, die Solarmodule sind mit deutlich sichtbaren Nahtstellen auf der Karosserie befestigt, auch von innen ist das Modell eher altbacken als hightech. Aber es gibt immerhin ein fertiges Auto, das fährt und lädt. Doch ob der Sion in einer perfekten Version tatsächlich auf die Straße kommt, ist fraglicher denn je. Dem jungen Unternehmen geht das Geld aus. Die letzte Rettung ist eine Crowdfunding-Kampagne. 50 Millionen Euro müssen bis Ende des Jahres gesammelt werden, "sonst wird der Sion nicht kommen", sagt Gründer Laurin Hahn.

Das Elektroauto-Start-up steckt in einem Dilemma, das beispielhaft ist für viele junge Unternehmen, die den Wandel zur Elektromobilität früher auf dem Schirm hatten als die großen Autohersteller. Viele traten an mit nachhaltigen Konzepten, günstigen Preisen und vor allem mit ambitionierten Zeitplänen. Am Ende konnte kein Unternehmen seine Anfangsversprechen halten. Beim Aachener Start-up e.Go Mobile startete die Produktion erst mit über einem Jahr Verspätung, zuletzt erhöhte das Unternehmen die Preise für seine E-Kleinwagen. Selbst hoch subventionierte Unternehmen wie der chinesische E-Autobauer Nio kämpfen ums Überleben.

Auch Sono Motors startete im Kleinen, aber mit einer großen Idee. Den ersten Prototypen für den Sion bauten Laurin Hahn und Jona Christians vor sechs Jahren noch in einer Garage zusammen, zwei Wochen vor ihren Abiturprüfungen. Es sollte das erste Elektroauto werden, das auch mit Sonnenenergie fahren kann. Als aus der Idee schließlich ein Unternehmen wurde, waren die Pläne groß. Weniger als 20 000 Euro sollte der Sion kosten, den man sich optisch in etwa so vorstellen kann wie den großen Bruder des BMW i3: kastenförmig, schlicht, aber eben kein kleiner Stadtflitzer, sondern mit ordentlich Platz für Gepäck und fünf Passagiere.

Die Solarpanels ermöglichen jeden Tag bis zu 34 Kilometer zusätzliche Reichweite. Außerdem kann das Auto bi-direktional laden - also Strom nicht nur aufnehmen, sondern auch abgeben, zum Beispiel um das Stromnetz zu stabilisieren oder die Sonnenenergie an andere E-Autos weiterzugeben. Über eine App soll man das Auto zudem mit anderen Menschen teilen können. Geplanter Produktionsstart war eigentlich 2018.

Tatsächlich bestellten 10 000 Menschen einen Sion vor, dessen aktueller Preis dann doch etwas höher liegt, nämlich bei 25 500 Euro. Die Vorbesteller leisteten eine Anzahlung von mindestens 500 Euro. Diese Vorgehensweise ist in der Branche üblich. Auch VW ließ die Kaufinteressenten für den ID3 mit 1000 Euro in Vorkasse gehen. Tesla-Kunden mussten nach ihrer Anzahlung für das Model 3 teilweise zwei Jahre warten, bis sie ihren Wagen bekamen. Doch während beim E-Autobauer aus Kalifornien auch dank der treuen Fans allein in diesem Jahr rund 400 000 Autos vom Band rollen, ist man bei Sono Motors noch lange nicht so weit.

Denn vom Prototypen bis zum ersten echten Serienfahrzeug ist es noch ein langer - und vor allem teurer - Weg. "Wir wussten, dass wir viel Geld brauchen werden", sagt Jona Christians. Das klassische Vorgehen, wenn man keinen Milliardär wie Elon Musk im Rücken hat: Investoren an Bord holen. Monatelang verhandelten die Münchner Gründer mit potenziellen Geldgebern. Zu einem Vertragsabschluss kam es jedoch nicht. "Wir hatten Angebote von internationalen Investoren, aber die waren nicht am nachhaltigen Aufbau des Unternehmens interessiert, sondern wollten nur schnelle Gewinne", erklärt Laurin Hahn. Was das für das Start-up konkret bedeutet hätte? "Die hätten unsere Technologien genommen, aber der Sion wäre tot gewesen."

Man merkt den jungen Gründern an, wie sehr sie an ihrem Projekt hängen. Dass sie mehr sein wollen als nur ein hoch gelobtes Start-up, dessen Wissen irgendwann einfach von etablierten Unternehmen eingekauft wird. Sie wollen die Menschen nicht enttäuschen, die bereits Geld für den Sion angezahlt haben. Das ist ehrenhaft, doch die Spielregeln im Milliarden-Geschäft rund um die Mobilität der Zukunft sind andere: Im Automarkt geht es den Geldgebern nicht mehr um Marken oder bestimmte Modelle. Entscheidend ist, bei neuen Technologien vorne zu sein, sie sind das eigentlich Wertvolle. In welchem Auto sie dann am Ende verbaut werden, ist erst einmal egal. Außer Tesla hat es bislang kein anderes Elektro-Start-up geschafft, eine starke Marke aufzubauen, so dass bei finanziellen Engpässen nicht gleich das Ende der Produktion und der Ausverkauf der Technologien drohen.

Für Sono Motors und seine 100 Mitarbeiter ist die Crowdfunding-Kampagne die letzte Chance, ihr Solarauto auf die Straße zu bringen. Aber 50 Millionen Euro in nur 30 Tagen? Keine Kampagne hat das in so kurzer Zeit geschafft, schon gar nicht in Europa. In den USA wurden für ein Computerspiel über mehrere Jahre 230 Millionen Dollar eingesammelt, für ein Smartwatch-Unternehmen gaben Menschen in mehreren Kampagnen rund 40 Millionen Dollar. In Deutschland bewegen sich die erfolgreichsten Crowdfunding-Projekte bei einstelligen Millionen-Beträgen. Deshalb hofft Sono Motors vor allem auf die Menschen, die ohnehin einen Sion kaufen möchten. Der Deal: Sie sollen den kompletten Kaufpreis von 25 500 Euro vorab bezahlen. Würden das 2000 Leute machen, wären die 50 Millionen erreicht. Aber auch kleinere Spenden oder Darlehen sind möglich. "Wir glauben an die Community", sagt Laurin Hahn. Das Geld werde auch nur dann abgerufen, wenn der gesamte Betrag erreicht wird. Doch selbst die 50 Millionen würden erst einmal nur dafür reichen, serienreife Prototypen zu bauen und spezielle Maschinen zu bestellen. Dass die Geldgeber am Ende ihr Auto bekommen, auch wenn sie jetzt den vollen Kaufpreis vorstrecken, ist nicht gesichert.

Bis die aktuell für Herbst 2021 geplante Produktion in einem ehemaligen Saab-Werk in Schweden anlaufen könnte, wäre weiteres Kapital nötig. Die ersten Autos würden Anfang 2022 an die Kunden ausgeliefert. Bis dahin haben aber auch die großen Hersteller zahlreiche E-Autos auf dem Markt. Und auch die Idee mit den Solarmodulen in der Karosserie ist nicht mehr exklusiv. Tesla hat genau diese Option gerade für seinen "Cybertruck" angekündigt.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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