Software :Update für Bosch

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Das Bedienkonzept der neuen S-Klasse setzt auf Gesten, Sprache und auf große Bildschirmflächen. (Foto: Daimler AG/dpa)

Warum der Technologie-Konzern aus Stuttgart alle Programmierer für das Automobilgeschäft künftig in einer neuen Einheit arbeiten lässt.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Software statt Spaltmaß, Kompatibilität statt Hubraum. In der Automobilindustrie verschieben sich die Prioritäten derzeit schnell und gründlich. Junge Autofahrer, so heißt es, legen mehr Wert auf die totale Vernetzung ihres Fahrzeugs und weniger auf die Höchstgeschwindigkeit. Das Betriebssystem wird immer wichtiger, der Motor immer unwichtiger. Darauf reagiert der Technologie-Konzern Bosch nun mit einer entschlossenen Neuaufstellung: In seiner Mobility-Sparte wird ein neuer Geschäftsbereich mit 17 000 Mitarbeitern eingerichtet. Dieser könnte so manches technische Problem lösen, vor dem die traditionellen Autobauer - allen voran die deutschen - stehen.

Der US-Autobauer Tesla macht allen vor, wie es geht: Seine Elektro-Flitzer gelten als Smartphones auf Rädern, und die Software wird regelmäßig via Internet ("over the air") aktualisiert. BMW, Daimler und Volkswagen sind da noch nicht so weit. Bei ihnen ist eine Aktualisierung meist nur mit einem stundenlangen Werkstattbesuch möglich. Und parallel versuchen sie, mit viel Geld und Personal, Schweiß und Pannen, eigene Betriebssysteme auf die Beine zu stellen.

Volkswagen hat da bei seinem neuen Golf-Modell 8 besonders zu kämpfen. Weil die unzähligen verschiedenen Steuergeräte nicht kompatibel sind, funktioniert die Software nicht. Und selbst wenn sie irgendwann läuft, wird sie im Vergleich zu Tesla nicht konkurrenzfähig sein. Zudem geht es in diesem Kampf vor allem um die Datenhoheit: Denn nur, wer in Zukunft den Zugriff auf die Kunden und ihre Vorlieben hat, verdient mit digitalen Geschäften das große Geld. Die Hardware-Hersteller dagegen können als bloße Blechbieger schlimmstenfalls nur noch winzige Margen einfahren. "Die Zukunft der Mobilität kann nur gestalten, wer über umfassende Elektronik- und Softwareexpertise verfügt", sagt Stefan Hartung, der in der Bosch-Geschäftsführung für die Automotive-Sparte verantwortlich ist.

US-Techkonzerne wie Google und Apple drängen unter die Armaturenbretter der Autos

Deshalb drängen US-Techkonzerne wie Google und Apple unter die Armaturenbretter der Pkw. Mit Erfolg: Android Auto heißt das Betriebssystem von Google, dieses baut zum Beispiel Polestar, die Elektro-Premium-Tochter von Volvo, in ihre Fahrzeuge ein. Damit spart Volvo viele Entwicklungskosten und profitiert von Googles riesiger Datenbank. Aber der Preis ist hoch: Im Gegenzug sammelt das fremde Betriebssystem jede Menge Fahrzeugdaten - und macht diese ganz alleine zu Geld.

Für Daimler ist das keine Option, wie Vorstandschef Ola Källenius betont: "Wir übergeben anderen doch kein mechanisches Gerät, das sie dann digital ausschlachten können." Er wolle die "neuen, softwarebasierten Geschäftschancen selbst" nutzen.

Bei diesem teuren und schwierigen Ringen um die entscheidende Schnittstelle zum Kunden wird nun also auch Bosch mehr denn je mitmischen. "Cross-Domain Computing Solutions" heißt - schön technisch formuliert - der neue Geschäftsbereich, in dem 17 000 Mitarbeiter aus den Bereichen Fahrerassistenz, Multimedia, Antrieb und Elektronik zusammengefasst werden. Bisher haben sie die verschiedenen Steuergeräte aus dem Hause Bosch in verschiedenen, voneinander unabhängigen Bereichen programmiert. Doch damit stieß der Konzern an seine Grenzen.

Künftig werden alle Software-, Elektrik- und Elektronik-Experten die Software der unzähligen Steuergeräte (etwa für Motor und Bremsen) und auch der Fahrzeugfunktionen (Einparkhilfe, Spurhalteassistent, Infotainment) unter einem Dach entwickeln. "Software aus einer Hand zu liefern, ist unsere Antwort auf die immense Herausforderung, Autos immer stärker zu digitalisieren", sagt Harald Kröger, der im Bosch-Management für den neuen Geschäftsbereich verantwortlich ist. Damit sollen neue Funktionen auch "deutlich schneller und via Software-Update" zu den Nutzern kommen. Trotz der Bündelung werden die 17 000 Mitarbeiter (5000 davon sitzen in Deutschland) an ihren derzeitigen etwa 40 Standorten in 20 Ländern bleiben.

Boschs Automotive-Sparte gilt mit 47 Milliarden Euro Umsatz und etwa 237 000 Mitarbeitern als größter Autozulieferer der Welt. Elektronik und Software spielt dabei seit jeher eine wichtige Rolle, Bosch beherrscht das komplexe Zusammenspiel von Software und Elektronik. Mit dieser Kompetenz wolle der Konzern die Autohersteller "bei der Entwicklung von Betriebssystemen unterstützen, sagt eine Sprecherin. Wie tief diese Unterstützung am Ende geht? Das hänge von den Wünschen der einzelnen Kunden ab. Gut möglich, dass Bosch so manchem klammen oder überforderten Autobauer bald das komplette Betriebssystem liefern wird.

© SZ vom 22.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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