Smart Citys:Freie Fahrt für die Feuerwehr

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Schneller zum Einsatzort durch eine intelligente Verkehrsführung – das soll durch Vernetzung von Leitsystemen und Autos möglich werden. (Foto: Feuwerwehr Stadt Kassel/dpa)

Daten, Daten, Daten - und zwar möglichst schnell: Wie sich der elektronische Kartendienst Here die Verkehrslenkung der Zukunft vorstellt.

Von Katharina Kutsche, München

Irgendwann, sagt Bernd Fastenrath, müssen Städte nicht nur erfassen, was auf der X- und Y-Achse, also ihren Straßen passiert. Nein, zukünftig, etwa wenn Lieferdienste ihre Päckchen per Drohne zustellen, muss auch die Z-Achse, der Luftraum, in die Verkehrssteuerung einfließen. Aber egal, wer sich gerade im Verkehr bewegt, ein Lieferwagen, eine Straßenbahn, ein Auto, alle haben etwas gemeinsam: ihren jeweiligen Standort. "Das alles zusammenzufassen und kooperativ zu verknüpfen, da sehen wir uns mit unserer Plattform", sagt Fastenrath.

Bernd Fastenrath ist Smart-City-Experte bei Here, zuständig für deren Internet of Things- und Automotive-Bereiche. Here liefert standortbezogene Dienste und Karten an. So etwas nutzen viele längst auf ihrem Smartphone oder auf einem Navigationssystem im Auto. Doch wenn Städte und Regionen intelligent werden sollen - etwa in Smart-City-Konzepten, in denen alle vorhandenen Daten wie Energieverbrauch, Ampelschaltung und Umweltbelastung miteinander verknüpft werden - kommt Verkehrsdaten immer mehr Bedeutung zu. Und sie müssen schnell verfügbar sein, sonst funktionieren Vorhersagen wie Parkleitsysteme und Stauwarnungen nicht.

Die enorme Bedeutung für den Verkehr zeigt sich auch in der Unternehmensgeschichte von Here. Sein Vorgänger Navteq wurde 1985 in Chicago gegründet, dessen Daten liefen unter anderem auf Nokia-Handys. Der finnische Mobiltelefon-Hersteller übernahm den Kartendienst 2007, benannte ihn in Here um und stellte ihn für alle gängigen Betriebssysteme zur Verfügung. Nach dem Niedergang seiner Handysparte verkaufte Nokia den Kartendienst an drei deutsche Auto-Konzerne: Daimler, BMW und Audi. Inzwischen sind weitere Firmen beteiligt, etwa der Chip-Hersteller Intel und der chinesische Internet-Riese Tencent.

Auf dem kommerziellen Markt der digitalen Karten sind weltweit nur noch drei Firmen groß vertreten: Google, Tomtom und eben Here. Die Anbieter unterscheiden sich etwa in der Erfassung. Google nutzt Telefondaten, greift die Standortdaten aller Smartphone-Nutzer ab, die mit Googles Betriebssystem Android laufen. Here nutzt wie auch Tomtom eigene Fahrzeuge mit hochauflösenden Kameras für seine Datenerhebung. In Europa ist Google nicht so übermächtig, wie es scheint, sagt Fastenrath. "Für die Kommunen sind Datenschutz und Transparenz extrem wichtige Themen. Unsere Plattform ist bewusst offen gestaltet, so sind wir gut gegenüber Wettbewerbern wie Google positioniert."

Regionen, die sich digital anders aufstellen wollen, sind auf Kooperationen mit der Wirtschaft angewiesen. Zusammenarbeiten müssen auch die Unternehmen selbst, Konkurrenzgerangel hilft nicht. Wer Verkehrsflüsse besser steuern möchte, kann sich nicht nur auf den Autoverkehr beschränken. Wo sich Straßenbahnen im Verkehr bewegen, müssen Hersteller wie Siemens eingebunden werden, um Informationen über den gesamten Verkehr zu bekommen.

Zukünftig senden selbstfahrende Autos Daten aus dem Verkehr - anonym natürlich

Seit September arbeitet Here mit der Stadt Hamburg zusammen. Here liefert seine Karten und die Daten aus den Fahrzeugen, die Hansestadt Daten aus der Verkehrszentrale, von Ampeln, Kameras und Sensoren in den Straßen. Im gemeinsamen Projekt sollen "beide Quellen miteinander verheiratet werden", so Fastenrath. Meldet ein Fahrzeug einen Unfall, und ein Bearbeiter in der Verkehrszentrale entscheidet, eine Ampel anders zu schalten, erfasst Here die Änderung, gibt sie an sein System und die Nutzer weiter. Hamburg möchte so den Verkehr sicherer machen und durch den besseren Verkehrsfluss Emissionen senken.

Daten senden dabei zukünftig vor allem automatisierte Fahrzeuge - anonymisiert. Jedes Fahrzeug bekomme nach jeder Standort-Meldung eine neue Identität zugewiesen, dadurch sei nicht mehr nachvollziehbar, welches Auto was gemeldet hat. "Uns interessiert nur die Geo-Lokation, die zu einem bestimmten Event gehört", sagt Fastenrath. Und für jedes Event wertet Here die Meldungen mehrerer Fahrzeuge aus, damit es nicht zu Fehleinschätzung kommt: "Wenn bei einem Auto Scheibenwischer und Antiblockiersystem angehen, könnte das auf Regen und Glatteis hindeuten. Vielleicht hat der Fahrer aber auch nur seine Windschutzscheibe gesäubert."

Eine Herausforderung sind die Daten aus dem öffentlichen Bereich, sagt der Experte: "Wie die öffentliche Hand Baustellen handhabt, ist eine Herausforderung." Sie pflege zu viele unterschiedliche Systeme mit alten Dateiformaten. Vorhersagen sind kaum möglich. Wenn ein Fahrzeug mit Sensorik einen Kran, der in die Fahrbahn ragt, wahrnimmt, umfährt und meldet, ist das zwar gut. Besser wäre es, wenn die Baustelle mit dem Kran und seiner Breite schon vorher im System hinterlegt ist und es so Fahrern gleich eine andere Route vorschlagen kann.

Here möchte dazu eine Plattform in einem standardisierten Verfahren anbieten, die alle Behörden speisen und nutzen können. Das spart auch Kosten, da nicht jede Abteilung eine eigene Plattform schaffen müsse, so Fastenrath.

Das Unternehmen nutzt Erfahrungen aus anderen Projekten. In Finnland etwa hat das Unternehmen ein System für Verkehrswarnungen getestet, für das Autofahrer per Smartphone Daten an ein Rechenzentrum von Here sandten und Warnungen und Hinweise per Kurznachricht bekamen. Eine Auswertung der Universität Helsinki ergab, dass die Zahl kleinerer Unfälle in einem Jahr um die Hälfte zurückging. Die Fahrer verhielten sich vorsichtiger, konzentrierten sich stärker auf den Verkehr, fuhren langsamer und vermieden Überholmanöver.

Wenn es um die Verkehrssicherheit geht, sind echtzeitnahe Daten auch bei Rettungseinsätzen wertvoll. Rückt ein Krankenwagen oder ein Löschzug der Feuerwehr aus und sendet seine geplante Route zum Einsatzort schon bei der Abfahrt, können andere Fahrzeuge auf der Strecke schneller ausweichen und reagieren nicht erst, wenn sie das Martinshorn wahrnehmen. Das ist für selbstfahrende Autos besonders wichtig: "Ein autonomes Fahrzeug kann ja nicht hören", sagt Fastenrath. "Es muss den Hinweis auf einem anderen Weg über Daten bekommen."

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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