Siemens:Risiko im Atom-Sektor

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Der Münchner Siemens-Konzern könnte sich an Atom-Partnerschaft mit Russland verheben.

Karl-Heinz Büschemann

Siemens-Konzernchef Peter Löscher hat mal wieder für eine Überraschung gesorgt: Er korrigiert die Atomstrategie des Konzerns und will stärker in den Bau von Kernkraftwerken einsteigen.

Siemens schätzt die Atomchancen wieder optimistischer ein (Foto: Foto: ddp)

Dazu ist er auf der Suche nach Partnern und hat offenbar auch den russischen Staatskonzern Atomenergoprom im Auge. Das lässt aufhorchen. Was Siemens auf dem Atomsektor plant, ist riskant. Wahrscheinlich überschätzt der Technologiekonzern die künftigen Chancen der Atomkraft und unterschätzt die Risiken, die sich aus der Zusammenarbeit mit einem russischen Staatskonzern ergäben.

Chancen in Atomwirtschaft steigen

Es leuchtet auf den ersten Blick ein, dass Löscher an der Entscheidung seines Vorvorgängers Heinrich von Pierer rüttelt. Der glaubte nicht mehr an das Geschäft mit Kernkraftwerken, nachdem die rot-grüne Regierung den politischen Ausstieg der Bundesrepublik aus der Atomkraft beschlossen hatte.

Er brachte enttäuscht die Siemens-Nukleartechnik in eine Gemeinschaftsgesellschaft mit der französischen Framatome ein und gab sich mit der Minderheitsposition von 34 Prozent zufrieden. Das kam dem Ausstieg von Siemens aus der Atomtechnik gleich.

Jetzt schätzt der Konzern die Atomchancen wieder optimistischer ein. Siemens erwartet nach eigenen Angaben eine Renaissance der Atomenergie und den Neubau von 400 Kernkraftwerken bis zum Jahr 2030 in der Welt. Da wollen die Münchner dabei sein.

Das wird nicht einfach. Der bisherige Partner Areva lässt nicht mit sich reden. Die Münchner würden ihren Anteil an dem Unternehmen gerne wieder aufstocken. Doch die Franzosen wollen das Sagen bei Areva allein behalten und kommen dem deutschen Partner offenbar keinen Schritt entgegen. Das ist für die ambitionierten Deutschen ein Problem.

Denn potentielle Partner gibt es nicht in beliebiger Menge. Da ist es kein Wunder, dass der russische Staatskonzern Atomenergoprom als Partner zur Diskussion steht. Siemens bestätigt die Gespräche mit Atomenergoprom nicht. Doch Konzern-Manager geben sich größte Mühe, etwaige Vorbehalte gegen einen Partner auszuräumen, der vom Kreml abhängt. Der Münchner Konzern habe seit 150 Jahren Erfahrungen mit Russland-Geschäften, sagen sie.

Siemens sollte im Umgang mit einem russischen Industriepartner in einer so wichtigen Frage vorsichtig sein. Die zurückliegenden drei Jahre haben im Westen erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit des russischen Staatskonzerns Gazprom in Energiefragen erkennen lassen.

Dreimal blieben seit dem Jahr 2006 in Westeuropa fest zugesagte Lieferungen von Gas und Öl aus. Das führte in einzelnen Ländern Osteuropas bereits zu Versorgungsmängeln.

Erhebliches Risiko

Das kann Zufall sein, doch für den Westen sind vom Kreml abhängige Staatsunternehmen möglicherweise ein erhebliches Risiko. Niemand kann vorhersagen, ob sich Staatsunternehmen noch an Verträge halten, wenn der Staat andere Vorstellungen hat oder Ziele verfolgt, die rein politischer Natur sind. Der Münchner Konzern sollte sich besser an Unternehmen in Japan oder Nordamerika wenden.

Zu fragen ist auch, ob Siemens die atomaren Chancen nicht maßlos überschätzt. Wahrscheinlich werden in den nächsten 20 Jahren wesentlich weniger Kernkraftwerke gebaut, als mancher glaubt. Auch wenn sich die Atomlobby bemüht, darauf hinzuweisen, dass Atomkraftwerke zum Klimaschutz beitragen, weil sie kein Kohlendioxid ausstoßen: Die Zahl der konkret geplanten nuklearen Neubauten liegt unter zwei Dutzend. Viele andere sind reine Papierprojekte.

Es mag sein, dass in Zukunft einige Kernkraftwerke neu entstehen werden. Aber angesichts der immensen Kosten wird sich die Zahl in Grenzen halten. Atomkraftwerke sind teuer, vor allem, weil sich ihre Bauzeiten oft in die Länge ziehen.

Das lässt sich gerade bei dem jüngsten finnischen Neubauprojekt besichtigen. Wenn nicht einmal ein aufstrebendes Land wie China, das auf keine Umweltbewegung Rücksicht nimmt, in großem Stil Atommeiler baut und stattdessen massenweise Kohlekraftwerke errichtet, sollte die Unternehmensführung von Siemens sehr nachdenklich werden.

© SZ vom 28.01.2009/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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