Siemens:Löscher greift durch

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Die neue Siemens-Spitze macht ernst. Wer nach Erkenntnissen der internen Ermittler in den Korruptionsskandal verwickelt sein soll, bekommt Probleme. Jetzt verlässt der Finanzchef der Landesgesellschaft in Österreich den Konzern.

Klaus Ott

Am 1. Juli übernahm Peter Löscher, vormals unter anderem beim US-Unternehmen General Electric (GE) tätig, den Vorstandsvorsitz bei Siemens. Fünf Wochen später kündigte der Konzern dem früheren Antikorruptionsbeauftragten Albrecht Schäfer, weil der den Gesamtvorstand und den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats nicht ausreichend über Hinweise auf schwarze Kassen und Schmiergeldzahlungen unterrichtet habe.

Schäfer bestreitet den Vorwurf, er klagt beim Arbeitsgericht München gegen seinen Rauswurf.

Am 1. Oktober kam der bisherige GE-Manager Peter Solmssen als Vorstand für Recht und Compliance in die Münchner Siemens-Zentrale. Der Posten wurde neu geschaffen; seine Aufgabe ist es, Gesetzesverstöße zu verhindern beziehungsweise aufzuklären.

Künftig selbständig

Keine drei Wochen später scheidet der Finanzchef der Landesgesellschaft in Österreich, Harald Wasserburger, aus dem Konzern aus. Offiziell erklärte Siemens in einer Pressemitteilung, Wasserburger wolle sich selbständig machen.

Aus Konzernkreisen verlautet allerdings, die intern eingesetzten Ermittler hätten Hinweise auf eine Verstrickung von Wasserburger in der Korruptionsskandal gefunden.

Im Auftrag des Aufsichtsrats geht die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton den Spuren nach, die zu schwarzen Kassen und Schmiergeldzahlungen führen. Debevoise hatte schon im Frühjahr Vorwürfe gegen Schäfer erhoben (die Schäfer seitdem freilich strikt zurückweist).

Signal der neuen Spitze

Inzwischen hat Debevoise auch wegen Wasserburger ermittelt. Die laut Pressemitteilung einvernehmlich erfolgte Trennung zwischen Siemens und dem österreichischen Finanzchef wird in Unternehmenskreisen als Signal der neuen Konzernspitze betrachtet. Wenn es Hinweise auf Fehlverhalten gebe, habe das Konsequenzen, heißt es aus Konzernkreisen.

In den vergangenen Monaten hatten führende Aufsichtsräte wiederholt kritisiert, es gebe noch alte Seilschaften im Konzern, die versuchten, die Aufklärung des Skandals zu hintertreiben.

Debevoise-Anwälte hatten Ende Juli dem Aufsichtsrat berichtet, Führungskräfte zahlreicher Landesgesellschaften blockierten die Ermittlungen. Debevoise nannte zahlreiche Beispiele aus der ganzen Welt sowie drei aus Europa: Belgien, Griechenland und Österreich.

In der Alpenrepublik gab es offenbar besonders viel zu verbergen. Bei den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft hat ein Beschuldigter zu Protokoll gegeben, über Österreich seien vom Konzernbereich Telekommunikation (Com) sogenannte Provisionszahlungen abgewickelt worden.

Zentrum des Skandals

Mit diesem Begriff wurden nach Erkenntnissen der Ermittler intern oftmals Schmiergeldzahlungen umschrieben. Siemens-Com ist das Zentrum des Korruptionsskandals. Der Beschuldigte erklärte weiter, das Geld sei über eine Wiener Anwaltskanzlei an eine Briefkastenfirma in Zypern geflossen, die ihren Sitz in der Hauptstadt Nikosia habe.

In diesen Prozess sei mit Sicherheit auch der Wiener Siemens-Manager Wasserburger involviert. Die SZ versuchte vergeblich, Wasserburger zu diesem Verdacht zu befragen.

Der Beschuldigte nannte auch den Namen der Firma in Zypern, der aus drei Buchstaben bestand. Das passt alles zu zwei Verträgen vom 16. April 2002. In einem "Agreement" zwischen der Com-Sparte IC Mobile in München und der Firma in Nikosia war geregelt, dass die Zyprioten den Siemens-Konzern bei der Akquisition von internationalen Mobilfunkprojekten unterstützen sollten.

Unabhängige Berater

Die Drei-Buchstaben-Firma solle Beziehungen zu möglichen Auftraggebern aufbauen, dabei aber nicht im Namen von Siemens agieren, sondern als "unabhängiger Berater" erscheinen.

Die Firma könne außerdem weitere Berater einschalten, sofern keine vertragliche Beziehung zwischen diesen Subunternehmern und Siemens entstehe. Laut Punkt sechs des Kontrakts war das alles vertraulich.

Geheim zu halten war auch ein Treuhandvertrag vom selben Tag zwischen Siemens, der Drei-Buchstaben-Firma und einem Wiener Anwalt. Laut diesem Abkommen bezahlte Siemens die Firma in Nikosia nicht direkt, sondern über den Anwalt in Wien, der als Treuhänder agierte.

Es liege im Interesse von Siemens und der Firma in Nikosia, "keinen direkten Zahlungsfluss zwischen ihnen zu erzeugen". Siemens wollte auch gar nicht wissen, an welche "Vertriebspartner" die Zyprioten das Geld dann weiterleiteten.

"Anerkanntes Geschäftsgeheimnis"

"Die Identität dieser Vertriebspartner ist ein von Siemens anerkanntes Geschäftsgeheimnis ... und soll daher im Zuge dieser Abwicklung Siemens nicht zur Kenntnis gelangen." In dem Vertrag war im Detail geregelt, auf welch konspirative Art und Weise das Geld fließen sollte.

Wozu das alles offenbar gut war, lässt sich einem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG entnehmen, die seit langem für die Siemens AG tätig ist und deren Bilanzen testiert.

Die KPMG hatte einige Jahre später zahlreiche Zahlungen bei Com untersucht und in einem internen Report vom November 2006 Siemens gewarnt, es bestehe ein "hohes Risiko", dass diverse Vorgänge als "Bestechungspraktiken im Ausland" einzuordnen seien.

Dazu zählten auch Zahlungen in Höhe von knapp 29,4 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2005/2006 an die Drei-Buchstaben-Firma in Zypern. Das war die mit Abstand größte von der KPMG notierte Summe.

Nicht erreichbar

Der bisherige Finanzchef von Siemens in Österreich mag sich dazu nach Angaben des Unternehmens nicht äußern. Eine Sprecher von Siemens Österreich erklärte auf Anfrage, Wasserburger sei nicht erreichbar.

Der Konzern und der Manager hätten sich darauf verständigt, über die Pressemitteilung hinaus keine weiteren Stellungnahmen abzugeben. In der Mitteilung steht, man habe sich einvernehmlich getrennt. Wasserburger verlasse das Unternehmen, um sich "neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen".

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