Siemens-Krise:Kleinfelds Erbe

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Siemens-Chef Kleinfeld tritt mit einer Traumbilanz ab - und hinterlässt seinem Nachfolger hohe Vorgaben.

Markus Balser

Vor genau zwei Jahren hatte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld bei Vorlage seiner ersten Quartalsbilanz in Lissabon ein persönliches Ziel ausgegeben: Im Frühjahr 2007 sollten alle Konzernbereiche ehrgeizige Gewinnvorgaben erfüllen. Um der Sache Nachdruck zu verleihen, knüpfte er auch noch sein "persönliches Schicksal" als Siemens-Chef an den Plan. "Ein Raunen ging durch den Saal", erinnert sich Kleinfeld. "Viele haben gedacht, das klappt nie."

Aber es hat geklappt. Am Donnerstag präsentierte der scheidende Vorstandschef eine Bilanz, mit der er seine ehrgeizigen Vorgaben erfüllt. Erstmals erreichten alle zehn Siemens-Bereiche - weitgehend eigenständige Milliardenunternehmen - gleichzeitig ihre Renditeziele. Und der Mann, der Siemens spätestens im September verlässt, hinterließ seinem Nachfolger gleich noch neue, ehrgeizigere Ziele: Er sei überzeugt, dass Siemens noch besser werden könne, verkündete er bei der Pressekonferenz im Sofitel-Hotel in München und hob für acht der zehn Sparten die Ziele, die sie bis 2010 erreichen sollen, zum Teil deutlich an. Das Programm versah er mit einem Namen aus dem Management-Englisch: Fit for 2010.

Kleinfeld geht davon aus, dass auch sein Nachfolger dieses Programm umsetzen wird, denn es stehe die ganze Führungsmannschaft dahinter. Nach dem Willen des scheidenden Chefs soll der Münchner Konzern die Rendite auf das eingesetzte Kapital in den nächsten drei Jahren auf insgesamt 14 bis 16 Prozent verbessern. Im Geschäftsjahr 2005/06 hatte Europas größter Technologiekonzern zehn Prozent erreicht.

Eindeutige Botschaft

Die Botschaft, die Kleinfeld am Donnerstag aussenden wollte, war eindeutig: Während der Korruptionsskandal die Öffentlichkeit beschäftigt, leiden die Geschäfte des Unternehmens bislang kaum. Im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres, das am 30. September endet, steigerte der Konzern den Gewinn um gut ein Drittel auf 1,3 Milliarden Euro. Der Umsatz wuchs um zehn Prozent auf 20,6 Milliarden Euro.

Und die Aufträge legten um neun Prozent auf 23,5 Milliarden Euro zu. Auch für das Gesamtjahr geht Kleinfeld nur von einem aus: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Siemens wolle doppelt so schnell wachsen wie die Weltwirtschaft.

Alle Bereiche des Konzerns schrieben im letzten Vierteljahr schwarze Zahlen. In Quartal davor hatten noch vier Sparten ihre Messlatte gerissen. Selbst der angeschlagene IT-Dienstleister SBS verbuchte einen Gewinn von 63 Millionen Euro, nachdem er im Vorjahreszeitraum noch einen Verlust von 199 Millionen Euro gemacht hatte.

Den größten Gewinn lieferten jene Sparten, in denen Siemens seine Zukunft sieht: die Medizintechnik und die Automatisierung. Daneben zählt die Kraftwerkssparte zu den profitabelsten Bereichen. Dagegen steht die Verkehrstechnik nach Angaben von Finanzchef Joe Kaeser unter Beobachtung. Zuletzt habe es dort zu viele Pannen gegeben, sagt er. So belasteten Konstruktionsprobleme um Straßenbahnen vom Typ Combino das Geschäftsfeld schon seit Jahren.

Teurer Schmiergeldskandal

Auch wenn bei Siemens der Gewinn aus dem laufenden Geschäft steigt, hinterlässt die Korruptionsaffäre Spuren in der Bilanz. Um die Schmiergeldskandale aufzuklären, muss der Konzern viel Geld ausgeben. Allein in den vergangenen drei Monaten habe die externe Hilfe von Beratern und Anwälten 63 Millionen Euro gekostet - etwa eine Million Euro pro Arbeitstag. Wie lange die Aufarbeitung der alten Fälle dauern werde, sei nicht vorherzusehen, sagte Finanzchef Kaeser.

Obwohl bundesweit Tausende Mitarbeiter gegen drohende Einschnitte bei dem Autozulieferer VDO protestiert haben, kündigte Kleinfeld am Mittwoch an, am Börsengang im Herbst festzuhalten. Der Konzern schließt nach wie vor auch einen Komplettverkauf nicht aus. Es gebe Offerten für den Bereich mit seinen zehn Milliarden Euro Umsatz und mehr als 53 000 Beschäftigten, sagte Kleinfeld. "Die schauen wir uns auch an." Vor allem der Autozulieferer Continental ist an einer Komplettübernahme interessiert und soll bereit sein, etwa zehn Milliarden Euro zu bezahlen.

Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet Werksschließungen und einen massiven Stellenabbau bei VDO. Der Konzern äußerte sich zu entsprechenden Befürchtungen am Mittwoch nicht, bestätigte aber, dass Siemens künftig deutlich höhere Gewinne von seiner Sparte fordert. VDO hatte im zweiten Quartal bei Umsätzen in Höhe von knapp 2,7 Milliarden Euro ein Bereichsergebnis von 169 Millionen Euro erzielt.

Bei seiner Quartalsbilanz profitierte Siemens zuletzt auch vom starken Wirtschaftswachstum in Deutschland. Vor allem die Nachfrage aus Deutschland, dem übrigen Europa und dem Nahen Osten habe zum Wachstum beigetragen, erklärte der Konzern. Der Umsatz in Europa habe um 16 Prozent und in Deutschland um sechs Prozent zugelegt. Dieser Trend setze sich fort.

© SZ vom 27.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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