Siemens-Korruptionsskandal:Frühere Vorstände in Bedrängnis

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Der Siemens-Aufsichtsrat will klären lassen, warum das System der schwarzen Kassen nach dem Gang an die US-Börse 2001 nicht abgestellt wurde. Notfalls soll das Ex-Management haftbar gemacht werden.

Klaus Ott

Im Aufsichtsrat der Siemens AG nimmt der Unmut über den Konzernvorstand zu, der bis zum Beginn des Korruptionsskandals im Herbst 2006 die Geschäfte geführt hatte. Das Kontrollgremium drängt darauf, den Skandal vollständig aufzuklären.

Bei der jüngsten Sitzung des Aufsichtsrats Mitte September sagte dessen Mitglied Heinz Hawreliuk von der IG Metall, nach bisherigen Erkenntnissen sei im Management intern seit langem allgemein bekannt gewesen, "dass es schwarze Kassen gab und nützliche Aufwendungen gezahlt wurden". Mit dem Begriff "nützliche Aufwendungen" waren bei Siemens laut Geständnissen von Beschuldigten Schmiergeldzahlungen umschrieben worden.

Hawreliuk stellte nach Angaben aus Konzernkreisen im Aufsichtsrat die Frage, was der damalige Vorstand nach der Verschärfung der internationalen Anti-Korruptionsgesetze 1999 und nach dem Gang an die US-Börse 2001 unternommen habe, "um dieses System abzustellen". Hawreliuk bestätigte auf Anfrage, sich so geäußert zu haben.

Milliarden-Strafe möglich

Der Gewerkschaftsfunktionär gehört dem Arbeitnehmerflügel des Aufsichtsrats an. Auch führende Vertreter der Aktionäre in dem Gremium wollen alle Vorgänge durchleuchten lassen, einschließlich der Rolle des früheren Managements.

Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, sagte bei der Aufsichtsratssitzung, die ganze Wahrheit müsse auf den Tisch. Die Verantwortlichen für diese Vergehen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, sagte er nach Angaben von Sitzungsteilnehmern. Im Auftrag des Aufsichtsrates untersucht die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton den Korruptionsskandal.

Der Gang an die New Yorker Börse im März 2001 könnte für Siemens nun harte Folgen haben. In New York notierte Firmen sind zu strengen Maßnahmen gegen Korruption verpflichtet. Bei Schmiergelddelikten kann die SEC ein Mehrfaches der gezahlten Mittel als Strafe verlangen. Im Aufsichtsrat wird schlimmstenfalls eine Geldstrafe von mehreren Milliarden Euro befürchtet.

Lesen Sie weiter, warum möglicherweise mit einer Schadensersatzklage gerechnet werden muss

Die intern eingesetzten Ermittler der Kanzlei sind in mehreren Sparten auf schwarze Kassen gestoßen, über die seit den neunziger Jahren insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro transferiert worden seien. Diese Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.

Pierer streitet ab

"Die Zahlen werden immer größer, wer trägt eigentlich die Verantwortung?"', verlautete am Sonntag aus Aufsichtsratskreisen. Es sei schwer vorstellbar, dass der alte Vorstand unter dem damaligen Konzernchef Heinrich von Pierer davon nichts gewusst habe. Falls man dem früheren Management zumindest grobe Fahrlässigkeit nachweisen könne, "müssen wir im Zweifelsfall Schadensersatz verlangen".

Angesichts der Beträge, um die es dann ginge, sei das für langjährige Vorstände viel gefährlicher als eine eventuelle Verurteilung vor Gericht. Im Aufsichtsrat wird befürchtet, dass Siemens notfalls einen Konzernteil verkaufen müsse, um eine von der SEC verhängte Geldstrafe zahlen zu können. Pierer bestreitet, vom System der schwarzen Kassen gewusst zu haben.

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den früheren Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger, der Siemens im Frühjahr 2006 verlassen hatte, und gegen einen weiteren ehemaligen Vorstand. Gegen den früheren Konzern- und späteren Aufsichtsratschef Pierer läuft aber kein Ermittlungsverfahren. Einige Manager, die dem Vorstand bereits in der ersten Hälfte des Jahrzehnts angehörten, sind nach wie vor im Amt. Sie sollen offenbar nach und nach ausgewechselt werden.

© SZ vom 1.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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