Siemens-Gutachter: Lücke im Arbeitsstrafrecht:Schärfere Regeln gegen Korruption

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Wann eine Zahlung an Betriebsräte gesetzlich korrekt ist, regelt das Arbeitsrecht nur ungenügend - Zahlungen an Einzelne sind strafbar, Zahlungen an die Arbeitsvertretungen als Ganzes nicht. Genauere Gesetze wären nötig.

Sibylle Haas

In der Affäre um den mutmaßlichen Kauf von Betriebsräten bei Siemens ist die Forderung nach einer Verschärfung des Arbeitsstrafrechts laut geworden.

Das Bundesarbeitsgericht mit Sitz in Erfurt - Bei Bestechungen in Unternehmen könnte es helfen. (Foto: Foto: dpa)

"Wenn wir die Korruption bekämpfen wollen, dann sollten wir auch auf die Arbeitsbeziehungen schauen", sagte Volker Rieble, Professor für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht und Direktor des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, zur Süddeutschen Zeitung.

"Geldzahlungen an Arbeitnehmervertretungen sind vom Strafrecht nicht erfasst, sondern nur Zahlungen an einzelne Betriebsratsmitglieder", sagte Rieble, der für Siemens in dieser Frage ein Gutachten erstellt hat.

Das Betriebsverfassungsgesetz (Paragraf 119) untersagt die Begünstigung von Betriebsräten und Eingriffe in Betriebsratswahlen. Zuweisungen an Arbeitnehmerorganisationen, wie die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), seien von dem Paragrafen 119 nicht erfasst, so Rieble. Deshalb handele es sich nicht um Straftaten.

Parallelen zur VW-Affäre

"Hier klafft eine Lücke", kritisiert der Arbeitsrechtler allerdings. Wilhelm Schelsky, der frühere Siemens-Betriebsrat und bis Dienstag Bundesvorsitzender der AUB, soll von Siemens Beraterhonorare erhalten und das Geld teils verwendet haben, um die AUB zu finanzieren.

Der Fall erinnert an die VW-Affäre, bei der der frühere Vorstand Peter Hartz wegen des Verstoßes gegen den Paragrafen 119 und wegen Untreue kürzlich verurteilt worden war.

Kein Einzelfall

Hartz habe sich durch Geldzahlungen an den damaligen Betriebsratschef Klaus Volkert dessen Wohlwollen sichern wollen, urteilten die Richter. "Der Fall Volkert ist kein Einzelfall", meint Arbeitsrechtler Rieble dazu.

Das Betriebsratsamt sei ein Ehrenamt. Dennoch würden viele Betriebsräte von den Firmen üppig bezahlt. Rieble bezweifelt auch, dass die IG Metall im Fall Siemens Strafantrag stellen wird, wie von ihr derzeit erwogen. Sie selber unterstütze die Betriebsratsarbeit, so Rieble.

Noch nicht einmal jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet in einem Unternehmen mit Betriebsrat, hat das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung ermittelt.

Betriebsräte: Oft gegen die Firma

Die Abneigung vieler Arbeitgeber gegen Betriebsräte ist groß. Die Fluggesellschaft Air Berlin gehört dazu, deren Chef Gewerkschaften für notorische Bremser hält. Auch der Reiseveranstalter Alltours und der Handelskonzern Aldi wehren sich.

Bei Lidl werden nur in wenigen Filialen die Mitarbeiter betrieblich vertreten. Auch bei Mediamarkt ist die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi schon mit mehreren Versuchen gescheitert, Betriebsräte zu etablieren.

Derzeit sieht Verdi eine entsprechende Tendenz bei den Genossenschaftsbanken: "Einige Arbeitgeber gehen gegen Betriebsräte vor, die ihre Betriebratsarbeit machen wollen und sich aktiv einmischen", sagte ein Sprecher. Das Betriebsverfassungsgesetz ist eindeutig: Ab fünf Arbeitnehmer kann ein Betriebsrat gewählt werden, sogar wenn die Mehrheit dagegen ist. Dies war im vorigen Jahr beim Softwarekonzern SAP der Fall.

© SZ om 29.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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