Siemens-Führungskrise:Cromme beschleunigt Chefsuche

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Die Suche nach einem Nachfolger für Siemens-Chef Klaus Kleinfeld geht in die entscheidende Phase. Als Top-Favorit des Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme gilt nach wie vor Linde-Chef Wolfgang Reitzle.

Markus Balser

Bereits in Kürze will Aufsichtsratsvorsitzender Gerhard Cromme offenbar eine Liste mit mindestens vier Kandidaten präsentieren. Neben externen Top-Managern soll auch ein Siemens-Kandidat in die engere Auswahl kommen.

Als Top-Favorit gilt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus dem Aufsichtsrat aber nach wie vor Linde-Chef Wolfgang Reitzle. Allerdings müssten die Großaktionäre von Linde, die Allianz, die Commerzbank und die Deutsche Bank, zuerst einen Nachfolger für Reitzle bei Linde finden, bevor er zu Siemens wechseln könnte, hieß es weiter.

Neben Reitzle werde eine ,,Handvoll'' weiterer deutscher und internationaler Spitzenmanager auf der Liste stehen. Auch mindestens ein Siemens-Manager soll den Sprung in die engere Auswahl schaffen.

Zehn Siemens-Bereiche, die nicht verstrickt sein können

In Frage käme eine Führungskraft aus einem der zehn Siemens-Bereiche, die in die aktuelle Bestechungs- und Schmiergeldaffäre nicht verstrickt sein könne, hieß es.

ABB-Chef Fred Kindle, Bosch-Chef Franz Fehrenbach und Vattenfall-Boss Lars Josefsson, die am Wochenende ebenfalls als Nachfolger gehandelt wurden, kämen dagegen nicht in Frage, hieß es aus dem Gremium weiter.

Mit einer Entscheidung rechnen einflussreiche Aufsichtsräte bereits in zwei bis drei Wochen. Cromme wolle zunächst dem Präsidialausschuss des Aufsichtsrates seine Vorschläge präsentieren, um im kleinen Kreis über einen Nachfolger beraten zu können, hieß es im Kontrollgremium.

Dem dreiköpfigen innersten Führungsgremium gehören mit Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann neben Aufsichtsratschef Cromme auch jeweils ein Vertreter der Arbeitnehmer- und der Kapitalseite an.

Aufwendiges Verfahren

Mit dem aufwendigen Auswahlverfahren wolle sich der Aufsichtsratschef offenbar auch gegen Vorwürfe wappnen, das Kontrollgremium habe bei der Besetzung des Postens nicht alle Möglichkeiten ausgelotet. Ein Siemens-Sprecher wollte die Angaben am Sonntag nicht kommentieren.

Während die Suche nach einem Nachfolger für Konzernchef Klaus Kleinfeld auf Hochtouren läuft, wird immer deutlicher, dass der neue Siemens-Chef ein brisantes Erbe antritt.

Denn einem Bericht des Konzerns an die US-Börsenaufsicht SEC zufolge stoßen die eingesetzten internen Prüfer auf immer mehr dubiose Finanztransaktionen. Neben Beraterverträgen seien die Ermittler in der Kommunikationssparte (Com) auch auf verdächtige Bar- und Scheckzahlungen gestoßen, die im Zusammenhang mit Anti-Korruptionsgesetzen in Deutschland und den USA ,,Sorgen'' auslösten. In der Com-Sparte hatte die Affäre um schwarze Kassen ihren Anfang genommen.

Mehr Geld in dunklen Kanälen als bisher offiziell genannt

Zum Ausmaß der entdeckten Zahlungen wollte sich Siemens am Sonntag nicht äußern. Die Vorgänge seien nicht abschließend bewertet, sagte ein Sprecher. Siemens geht dem Bericht zufolge allerdings fest davon aus, dass insgesamt weit mehr als die bislang offiziell genannten 420 Millionen Euro über Beraterverträge in dunkle Kanäle flossen.

Der Konzern erwarte wegen der laufenden Untersuchungen auch in anderen Konzernsparten einen erheblichen Anstieg, heißt es. Ähnlich hatte sich Finanzchef Joe Kaeser bei Vorlage der Halbjahreszahlen Ende April geäußert.

Es bestehe nun das Risiko, dass auf den Konzern weitere Steuernachforderungen zukommen könnten, hieß es. Wegen voraussichtlich fälliger Nachzahlungen hatte der Konzern seine Bücher im Dezember nachträglich um 168 Millionen Euro korrigiert.

Kommunikationschef geht

Nach Angaben aus Konzernkreisen zieht die Affäre derweil weitere personelle Konsequenzen nach sich. Der Konzern trennt sich demnach vom Leiter seiner weltweiten Kommunikationsabteilung, Janos Gönczöl. Der Jurist hatte seinen Posten erst im Oktober 2005 angetreten, war jedoch wegen der Außendarstellung des Konzerns intern in die Kritik geraten. Sein Nachfolger soll Stephan Heimbach werden, bislang Leiter der Siemens-Abteilung Corporate Messages.

Für Unruhe sorgten im Siemens-Aufsichtsrat am Wochenende Spekulationen, Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann wolle sich aus dem Gremium zurückziehen. ,,Ackermann wird wohl spätestens im Januar 2008 den Aufsichtsrat von Siemens verlassen'', zitierte die Wirtschaftswoche einen Aufsichtsratskollegen des Bankers. Diese Darstellung wurde im Umfeld des Managers zurückgewiesen. ,,Ackermann fühlt sich Siemens sehr verpflichtet'', sagte ein Insider.

© SZ vom 07.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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