Siemens:Ex-Vorstände sollen mit Privatvermögen haften

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Für die Schäden in Milliardenhöhe sollen die Ex-Vorstände auch mit ihren Privatvermögen gerade stehen. Heinricht von Pierer will sich gegen die Klage wehren.

Klaus Ott

Der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer will nicht für die Korruptionsaffäre des Konzerns haften. Er werde sich gegen die Vorwürfe, seine Amtspflichten vernachlässigt zu haben, und gegen die Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe zur Wehr setzen, kündigte Pierer am Dienstag an. Siemens will elf Ex-Vorstände belangen. Sie sollen auch mit ihrem Privatvermögen geradestehen.

Seiner "besonderen Aufsichtspflicht" nicht nachgekommen: der frühere Siemens-Chef Heinrich von Pierer. (Foto: Foto: dpa)

Pierer reagierte nach Angaben seines Anwalts "mit großer Betroffenheit" auf den Beschluss des Aufsichtsrats, ihn und andere frühere Topmanager für die Affäre um schwarze Kassen und Schmiergeldzahlungen zur Rechenschaft zu ziehen. Er nehme das "mit Bedauern zur Kenntnis".

Pierer war lange Zeit einer der führenden Industriemanager des Landes mit besten Verbindungen in die Politik. Er beriet die Kanzler Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel. Seit dem Frühjahr, als sich die Affäre immer mehr zuspitzte, verzichtet Merkel aber auf Pierers Dienste.

Mit dem in Deutschland bislang einmaligen Vorgehen gegen eine gesamte ehemalige Konzernspitze erreicht der Korruptionsfall einen neuen Höhepunkt. Der Aufsichtsrat beschloss am Dienstag einstimmig, von den früheren Vorstandschefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld sowie von allen anderen Zentralvorständen der Jahre 2003 bis 2006 Schadenersatz zu verlangen. Der Zentralvorstand war der innerste Zirkel der Macht im Industriekonzern.

"Organisations- und Aufsichtspflichten" verletzt

Der Aufsichtsrat wirft den Ex-Vorständen vor, versagt zu haben. Sie hätten ihre "Organisations- und Aufsichtspflichten" im Unternehmen verletzt und so die kriminellen Machenschaften ermöglicht, die Siemens nun schwer schadeten.

Die frühere Konzernspitze habe sich nur in der Theorie um die Einhaltung der internen Regeln und der Gesetze bemüht, nicht aber in der Praxis. Bei Hinweisen auf Verstöße habe man weggeschaut, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Das deckt sich mit Erkenntnissen des Münchner Landgerichts im ersten Prozess in der Schmiergeldaffäre, der diese Woche zu Ende ging. Das Gericht hatte von einer "organisierten Unverantwortlichkeit" gesprochen.

Der Korruptionsfall wird Siemens voraussichtlich weit mehr als eine Milliarde Euro an Strafzahlungen und Ausgaben für die internen Ermittlungen kosten. Die für das Topmanagement abgeschlossene Haftpflichtversicherung bei der Allianz und zwei weiteren Assekuranz-Unternehmen beläuft sich aber nur auf 250 Millionen Euro.

Die Allianz werde einwenden, die Ex-Vorstände hätten ihre Pflichten grob fahrlässig verletzt und nicht zahlen wollen, heißt es aus dem Aufsichtsrat von Siemens. Man sei sich im Kontrollgremium einig, von den früheren Topmanagern Millionenbeträge zu verlangen und dabei auch auf das private Vermögen zuzugreifen.

In der Aufsichtsratssitzung am Dienstag wurde nach Angaben aus Konzernkreisen betont, "wer Schäden in Milliardenhöhe zu verantworten hat, darf nicht mit einer symbolischen Strafe davonkommen". Dem Kontrollgremium lagen umfangreiche Erkenntnisse einer eigens eingeschalteten Anwaltskanzlei vor.

Demnach hätten Pierer und Kleinfeld als Vorstandschefs eine "besondere Aufsichtspflicht" im Unternehmen gehabt, der sie nicht nachgekommen seien. Außerdem will Siemens für die Affäre um die verdeckte Finanzierung der Betriebsräte-Organisation AUB Schadenersatz verlangen.

© SZ vom 30.07.2008/hai/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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